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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht
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»erbeuteten« schien ihm selbst etwas rücksichtslos), »mag auch das oder jenes zwischen den Steinen und in Spalten verrollt sein. Hinzu kommt, daß ein Großteil des Schmuckes in Smaragden bestand, deren Preis in der Folgezeit außerordentlich gestiegen ist.«
    »Ja«, sagte Botulitzky, an den Backenknochen feucht vor Anstrengung, »aber es war gleichwohl nicht so überwältigend .. . vielleicht ist viel verlorengegangen... möglicherweise kann nach uns noch manches gefunden und verschwiegen worden sein.«
    Einen Augenblick lang dachte Castiletz an die seltsame Weinwirtin mit Klavier und einer Tochter, welche darauf die »Mondscheinsonate« spielen konnte ... er lächelte und winkte mit der Hand ab:
    »Kommen Sie mit der Schmuckgeschichte zu Ende, Herr Botulitzky«, sagte er, »sie ist nebensächlich. Wozu diese Mühe? Ich will nur hoffen, daß Ihnen die ganze Sache wenigstens eine entscheidende Besserung der Lebensumstände gebracht hat.«
    »Es ist nicht so gewesen«, sagte Botulitzky, an einem Punkte der Erniedrigung angekommen, welcher, wie es schien, kaum mehr zu unterbieten war und daher befreiend wirkte. »Ich sehe, daß Ihnen die Geduld ausgeht, und will deshalb schließen. Wir gelangten zu Fuß nach Bietigheim – das ist, wie Sie vielleicht wissen, ein Bahnknotenpunkt. Auf dem Wege wagten wir es kaum, uns Essen zu kaufen. Von Bietigheim fuhren wir kreuz und quer mit Umweg und Umsteigen über Mannheim oder Ludwigshafen oder sonstwie nach Berlin. Diese Reise ist mir so gut wie überhaupt nicht in Erinnerung geblieben. Ich weiß nur, daß es heiß war. Gott sei Dank besaßen wir Geld, das heißt Margit (wo bleibt sie nur?!) hatte welches, ich ja nicht. Sie nahm mich nach Berlin mit, wo sie in Stellung war, sogar in einer recht guten. Wir hatten uns in Stuttgart getroffen, weil Margit damals Verwandte dort besuchte. Zu meiner Stärkung beschloß sie, mich nach Würzburg zu begleiten. Diesen Onkel hatte ich nun aufgegeben. Und überhaupt alles. Ich saß in Berlin bei Margit, wie Fafner auf dem Schatz, las die Zeitung und fürchtete mich unausgesetzt vor der Polizei, die sich um uns nicht im geringsten kümmerte.«
    Er schien nun doch vor irgend etwas zu zögern und schwieg.
    »Es war wirklich eine Wendung«, sagte Botulitzky endlich leise. »Margit verlor nach sechs Wochen ihre Stellung. Wahrscheinlich, weil ich bei ihr wohnte. Sicher. Mit dem Schmuck getrauten wir uns nichts anzufangen. Ich für mein Teil war zu allem unfähig. Ich fand auch nichts. Ich meine einen Erwerb, eine Arbeit. Das war ein grauenvoller Sommer. Draußen irgendwo, vielleicht am Nikolassee, zwischen den Kiefernwäldern, die ich von früher kannte, fühlte ich wohl blauen Himmel, Bootsfahrten, alle meine alten Freuden ... es war vorbei. Ich war abgeschlossen, abgeschieden, auch vom Leben der großen Stadt, in der ich saß, wie ein Schiffbrüchiger an einem öden Strande.« Botulitzky sprach immer leiser, von Satz zu Satz. Sein Haupt suchte und fand ein Bett in den auf dem Tische verschränkten Armen.
    »Sie brachte mich durch. Fragen Sie nicht, Herr Castiletz, wie. Denken Sie es bei sich, in aller Stille. Darin liegt ja auch der Grund, warum ich Margit nicht heiraten kann, heute. Ich würde vielleicht alles verlieren, man ist sehr strenge bei uns in diesen Sachen. Ich sah dem machtlos zu, das heißt eigentlich, ich sah es herankommen, und ich schaute weg davon. Eines Tages sagte sie es mir, sie gestand es ein, hier in diesem Zimmer. Ich wußte, daß sie mich liebte – mußte ich es, nach allem, nicht wissen?! Nun war ich auf beiden Schultern klar mit einer Last beladen, die ich bisher sozusagen nur als einen wachsenden, dumpfen Druck von seitwärts her gekannt oder geahnt hatte. Dort... (hier verschluckte Botulitzky irgendein Wort) nun einmal angelangt, brachte Margit auch unsere ›Beute‹ – wie Sie sich, Herr Castiletz, ausdrückten – in Bewegung: in diesen Kreisen wurde sie verwertet. Ich selbst fuhr damit mehrmals nach Neukölln, das ist mir erinnerlich – jedoch nur wie ein Loch im Leben, ein Sitzen etwa auf der Bank in einem mir unbekannten Parke, wo fremde Menschen Kinder hüteten, die mich nichts angingen. Dann kam Margit, wir gingen mit unseren kleinen, schrecklichen, in Taschentüchern eingebundenen Dingen, welche bei sich zu tragen qualvoll war, wegen ihrer Härte . . . ich hatte fortwährend verschwitzte, schmutzige Hände damals, warum, war unbegreiflich ... Nun sehen Sie, es geht mir eigentlich über den Verstand:
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