Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht
Autoren:
Vom Netzwerk:
durchsichtig.
    4
    Es scheint bemerkenswert, daß Kokosch, trotz des nunmehr häufigeren Umgangs mit Günther Ligharts, gleichwohl immer wieder Zeit zu finden wußte für seine in den Auen nach Molchen, Wasserschnecken und Schwimmkäfern fischenden Freunde. Er kümmerte sich um sie, ja, es wäre fast erlaubt zu sagen, daß er sich um sie bewarb. Neuestens sogar mit Zuckerwerk, wovon er auf dem Wege zu ihnen eine Tüte voll einzukaufen pflegte. Conrad hatte für Näschereien keinerlei Vorliebe – zum Unterschied von Günther, welcher derlei nahm, wo er’s nur kriegen konnte – aber er bot sie den Naturforschern dort am Tümpel an, die sich nicht selten in einer befremdlichen Weise zierten, sodann etwa sagten: »Ich bin so frei«, und zwar mit einem sozusagen zusammengenommenen und dabei säuerlichen Munde – und nun endlich Zugriffen, um alsbald wieder in ihr plattnasiges und mürrisches Wesen zurückzufallen.
    Conrad verhielt sich eigentlich so, als hätte er bei diesen Knaben irgendeine Sache von Wichtigkeit unerledigt gelassen, die hinter sich zu bringen ihm durchaus nicht gelingen wollte. Er empfand es in der Tat in solcher Weise. Seine Anstrengungen nahmen zu – und sie führten ihn denn eines Tages auch an den wendenden Punkt.
    Wieder waren alle tätig am flachen Wiesenufer des versumpften toten Armes – Conrad neben jenem Knaben, der ihm einst geraten hatte, die Molche mit Fliegen zu füttern – als plötzlich Geschrei entstand. Eine Schlange kam über das Wasser geschwommen, ein harmloses Tierchen von jener Art, die man Ringelnattern nennt. Der Kopf mit den gelben Backen war über den Spiegel erhoben, und dahinter bewegte sich anmutig unter der Oberfläche der grausilberne Körper. Diese Tiere waren hier recht selten geworden – infolge des lebhaften Fischereibetriebes der Buben – und wurden auch nicht als Beute begehrt, denn der Tierhändler, mit welchem die kleinen Unternehmer in Verbindung standen, nahm ihnen Schlangen nicht ab. Jedoch das Auftauchen einer solchen, nach langer verstrichener Zeit, da man keine mehr gesehen hatte, bedeutete immerhin einen unterhaltenden Zwischenfall.
    Trotz des Lärmens der Buben behielt die Schwimmerin ihre Richtung und kam auf das flache Ufer. Alsbald ward sie ergriffen und im Bogen über das Wasser hinausgeschleudert, in welches sie klatschend fiel, während zwei der Knaben rundum ans andere Ufer liefen, um das Tier dort am Landen und Entweichen aus dem Tümpel zu verhindern.
    Jedoch war dies überflüssig. Kaum wieder im Wasser, begann die kleine Schlange in der früheren Richtung gegen das Ufer zu schwimmen. Wodurch das Tierchen veranlaßt wurde, seinen Peinigern immer wieder geradewegs in die Hände zu laufen, wäre schwer zu erklären gewesen – und die Buben kümmerte das auch wenig.
    Vielleicht mochte das Steilufer jenseits, als zum Landen ungeeignet, die Natter abhalten, sich dorthin zu wenden.
    Sie schwamm und dann flog sie wieder. Jeder versuchte den weitesten Wurf zu machen. Halb im Wasser versunken lag drüben ein vermorschter, gefallener Baum, die Trümmer seiner Äste standen kahl und zerbrochen empor. Ihn hatte noch niemand, die Schlange werfend, erreicht.
    In Kokosch erhob sich jetzt etwas, was man sehr wohl als das Bewußtsein von einem entscheidenden Augenblicke bezeichnen könnte: denn es zeigte sich die Möglichkeit, nun endlich freizugeben, was in Gesellschaft dieser Knaben sonst immer in ihm zusammengedrückt und wie eine niedergehaltene Sprungfeder hatte liegen müssen – es freizugeben, kost’ es, was es wolle. Die Fäden durchzureißen, die ihn, wie es schien, ganz leichthin und zufällig an solches Treiben banden, beiseite zu treten, und sei’s, daß er dann allein dastünde, und die anderen unmutig oder gar als Feinde ihm gegenüber.
    Er schaute an dieser Möglichkeit entlang und in ihre Verlängerung sozusagen durch Augenblicke hinein. Jedoch, da landete die Schlange. Mit einem seltsam schweren, heftigen und ungelenken Schritte war Conrad als erster von allen bei ihr, ergriff das sehr ermattete und nur mehr schwach sich windende Tierchen und schleuderte es, den Arm zweimal ganz herumschwingend, hinaus. Und in der Tat, es war der weiteste Wurf. Die Natter schlug drüben, leblos wie ein Strick, um einen der scharfkantigen zerbrochenen Äste jenes im Wasser halb versunkenen Baumes und blieb dort hängen, ohne sich weiterhin im geringsten zu bewegen.
    Eine Weile noch schauten die Jungen hinüber. Dann blickten sie Conrad von der Seite an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher