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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus
Autoren: Gerald Messadié
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beiden Galeeren hängen, deren Oberdeck nur so wimmelte von kaum bekleideten Ruderern — achtundvierzig je Schiff-, die noch einmal frische Luft schnappten, bevor sie sich auf ihre Plätze begaben.
    »Was soll eigentlich dieses ganze Theater?« fragte der Offizier.
    »Ich hab’s dir doch schon gesagt! Der gute Mann soll einen Volkszählungserlaß nach Palästina bringen. Um Geld geht’s da. Jeder Jude muß ein paar Münzen ausspucken. Bisher hat Herodes, der König von Palästina, immer das Geld eingesteckt. Jetzt will Cäsar Augustus auch sein Teil davon. Um sicherzugehen, daß ihm keine üblen Streiche gespielt werden, trägt Augustus dick auf: einen Legaten, Galeeren und den ganzen Zirkus.«
    »Viel Geld?« fragte der Offizier mit großen Augen.
    »Ich habe mir sagen lassen, daß Herodes seine Untertanen, als er ihnen das letztemal die Taschen umgestülpt hat, um sechshundert Silbertalente * erleichtert haben soll.«
    »Nicht von Pappe!« meinte der Schiffsoffizier. »Und was soll Herodes diesmal bleiben?«
    »Der alte Fuchs verdankt dem Cäsaren seine Krone. Als alte Kumpel werden sie sich reinteilen. Vielleicht schiebt aber auch Cäsar Augustus alles ein, was weiß ich«, antwortete der Kapitän, während er eine Ladung grünen Schleims in hohem Bogen über Bord beförderte.
    Der Schiffsoffizier ließ zum Zeitvertreib seine Fingerknöchel knacken. »Warum hat er sich nur die >Marsiana< ausgesucht?« fragte er. »Keine Ahnung. Da ist er ja! Los, mach zu!«
    Eine kleine Menschenansammlung hatte sich auf dem Kai eingefunden. Acht Sklaven setzten auf dem schmierigen Pflaster eine Sänfte ab. Ein junger Reiter sprang vom Pferd und eilte herbei, um den Vorhang zu heben und dem noch unsichtbaren Reisenden den Arm zu reichen. Ein magerer Mann mit besorgtern Gesichtsausdruck ergriff den Arm und setzte zuerst einen Fuß auf den Boden, dann den anderen. Er klopfte mit der Hand seine Toga ab, streckte sich und nahm mit mißtrauischem Blick den bauchigen Schiffsrumpf der »Marsiana« in Augenschein. Ein purpurrotes Band funkelte am Saum seiner Toga, und sein silberweißes, kurzgeschnittenes Haar schimmerte in der Sonne. Der Kapitän eilte die Landebrücke hinunter, um seinen Passagier in Empfang zu nehmen, doch er wurde in seinem Diensteifer von den Galeerenkapitänen abgedrängt, die dem Legaten als erste ihre Referenz erwiesen.
    Eine Stunde später waren der Legat, sein Sekretär sowie seine vier Sklaven an Bord der »Marsiana« untergebracht. Die Anker wurden gelichtet, und die Ruder begannen die Wellen zu durchpflügen, während man die Segel setzte. Metellus ließ sich mit einem reichlich unbehaglichen Gefühl unter dem gestreiften Zelt auf dem Achterdeck nieder. Er hatte nämlich Angst vor dem Meer, weil er zu viele Geschichten über entfesselte Stürme und Meeresungeheuer gehört hatte. Aus diesem Grund hatte er auch beschlossen, auf einem hochbordigen Schiff wie der »Marsiana« zu reisen, denn er dachte, daß ihn die acht Ellen hohe Bordwand dieses Schifftyps besser gegen gewaltige Brecher und glitschige Fangarme schützen würde als die flachen Decks der Galeeren.
    Ein kaum behaglicheres Gefühl hatte Metellus hinsichtlich der zu erwartenden Reaktionen auf das Dekret, das er in der Tasche trug. Bei Hof hatte man ihn schon vor Herodes’ Doppelzüngigkeit und der aufständischen Natur der Juden gewarnt. Noch nie hatte er einen Fuß nach Palästina gesetzt. Und er, der nicht mit der Wimper gezuckt hatte vor Rebellen wie den Rätiern oder Mösiern, für die ein Speer ein Speer war und ein Talent ein Talent, hegte Mißtrauen gegen die meisten Rassen, die östlich von Athen anzusiedeln waren: Asier, Galater, Bithynier, Syrier und was es dort sonst noch alles gab. Auch die so beruhigenden Bezeichnungen wie Reichs- oder Senatsprovinzen, die man ihren Gegenden verpaßt hatte, konnten daran nichts ändern. Die Erinnerung an ein Gespräch, das er einmal mit einem Partherfürsten, einem Priester obendrein, geführt hatte, rief in ihm noch jedesmal ein Gefühl von Bitterkeit und Bestürzung wach. Mit Schmuck behängt bis zum Bauchnabel, hatte dieser Kerl behauptet, daß alles, was man Wirklichkeit nenne, unwirklich sei und durch die Sinne verzerrt wahrgenommen werde. Aber ich bitte dich, Fürst, was täte man ohne die Sinne? hatte ihm der Legat entgegengehalten. Oh, gerade ohne sie, brachte der Parther vor, würde man endlich in die wirkliche Realität eintauchen.
    Zu den Befürchtungen bezüglich des Meeres und des
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