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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus
Autoren: Gerald Messadié
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rauher Stimme: »Ihr Schweine!«
    Von rasender Wut gepackt, spuckte der Henker zur Antwort aus. »Verdammter Bastard!« murmelte er und lief nach seiner Leiter und einer Art Knüppel. Er kletterte die Leiter hinauf, um an die Beine des Mörders heranzukommen, und brach ihm mit zwei Schlägen die Schienbeine. Der Gekreuzigte schloß die Augen. Sein gespannter und bis dahin durch den Block, auf dem seine Füße angenagelt waren, gestützter Körper fiel schlagartig in sich zusammen. Wenige Augenblicke später durchlief ihn ein Schauer. Oben auf seiner Leiter hockend, tastete der Henker ihm mit dem Zeigefinger das Herz ab, nickte leicht mit dem Kopf und stieg grinsend herab.
    »Mit dem Dreckskerl ist es vorbei!« sagte er. »Der hätte gut und gerne eine Woche gebraucht, dieser elende Hund!«
    »Eine Woche?« rief ein Legionär.
    »Vor zwei Jahren hatte ich einen, der konnte noch sprechen nach einer Woche! Beschimpft hat er mich!« sagte der Henker lachend.
    Ein Windstoß wirbelte um sie. Sie husteten. »Meine Arbeit hier ist getan, und ich hätte nichts gegen ein Bier einzuwenden«, meinte der Henker.
    »Ich auch nicht«, pflichtete ihm ein Legionär bei.
    »Gut, gehen wir! Bei diesem Wetter wird euer Herzchen in ein paar Stunden erstickt sein. Nur wenn es schön ist, oder wenn es regnet, halten sie länger durch«, sagte der Henker. »Dann können sie besser atmen, oder sie haben was zu trinken.«
    Der eine Helfer band sich die Leiter auf die Schultern, und die fünf Männer machten sich auf den Rückweg nach Jerusalem.
    »Stellt euch vor«, erzählte der Henker, »vor drei Jahren ist einer von diesen gekreuzigten Kerlen gestohlen worden! Ja, gestohlen! Wie ein Stück Wäsche, das an der Leine trocknet. In der Nacht sind Leute gekommen, haben die Nägel rausgezogen und den Mann runtergeholt. Ist nie wiedergefunden worden. Wie man nur auf so eine Idee kommen kann! Einen Halunken zu stehlen!«
    »Das war kein Halunke«, warf ein Helfer ein. »Das war ein Zelot.«
    »Und was ist ein Zelot? Auch nur eine Abart von einem Halunken.« Sie stiegen den Hügel hinunter und verschwanden. Auf dem Golgota war es nahezu still. Nur das Stöhnen des Räubers war zu hören. Milane tauchten am gelben Himmel auf. Staub tanzte vor der Sonne, einer Sonne, die von Pulsschlägen belebt zu sein schien, so daß sie einmal wie ein grüner Reck, dann wieder wie ein purpurroter Abszeß aussah — eine bedrohliche Gottheit, die aber ganz gewiß nicht Gott sein konnte.
     

II.
     
    Ein Festmahl bei Herodes
     
    An einem glühendheißen Sommernachmittag im siebenhundertfünfundvierzigsten Jahr nach der Gründung Roms 1 ruhte der Kapitän des römischen Handelsschiffes »Marsiana« im Schatten eines gestreiften Zeltes auf seinem Achterdeck, kaute Rauteblätter und schlürfte genüßlich Met, während sich sein Schiff im Hafen von Ostia vor Anker wiegte. Es hieß, die Blätter der Raute, einer aus Palästina importierten Heilpflanze, schützten vor Sonnenstich, doch jedermann wußte auch, daß der Genuß ihres Saftes zu Nachlässigkeit und enthemmter Stimmung verleitete. Der Kapitän fühlte sich eher angespannt, seit man ihm einige Tage zuvor offiziell zur Kenntnis gegeben hatte, daß die »Marsiana« requiriert worden sei, um einen Passagier höchsten Ranges zu befördern: einen kaiserlichen Legaten nämlich, Gaius Claudius Metellus. Der Kapitän mußte diesen Botschafter zum Hafen von Aschkelon in Palästina bringen, was bedeutete, daß er sich während der drei Wochen dauernden Überfahrt die kleinen Annehmlichkeiten seines Metiers verkneifen mußte: die bescheidenen Extraprofite und die Sauftouren bei den Zwischenlandungen ebenso wie die verschiedenen Möglichkeiten, hinter dem Rücken des Eigentümers der »Marsiana« mit Getreide zu handeln oder auch hier mit Wein, dort mit Glaswaren ein Geschäft zu machen.
    Warum konnte dieser erlauchte Pinsel nicht an Bord einer der beiden Kriegsgaleeren reisen, welche die »Marsiana« zum Schutz gegen Piraten eskortieren sollten! Der Kapitän warf einen düsteren Blick auf die zwei schlanken, flachen, schwarz-gelb gestrichenen Schiffe, die mit ihrem gelben Segel in geringer Entfernung sacht dümpelten. Und obendrein verspätete sich der Legat auch noch!
    »Wie muß ich ihn anreden?« kam der Erste Offizier fragen. »Exzellenz, oder wie?«
    »Überhaupt nicht anreden wirst du ihn. Ich werde dich rufen, wenn er etwas braucht.«
    Der Blick des Schiffsoffiziers schweifte über die Kais und blieb dann an den
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