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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus
Autoren: Gerald Messadié
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Morgenlandes, die er würdevoll vor seinem Sekretär verbarg, kam noch die Last einer gewissen Einsamkeit, der Untätigkeit, kurz: der Langeweile, dieses Grabes aller Gefühle. Die Aussicht, drei Wochen lang nichts als Wellen und Wolken zu betrachten, Fisch und Karotten in der Gesellschaft ungeschliffener Seeleute zu essen — das nimmt man nicht so ohne weiteres gelassen auf, auch nicht angesichts des Trostes der Vergilschen Verse, die ihm sein Sekretär im modrigen Halbdunkel der Kabine auf Wunsch vortragen würde.
    So geschah es, daß der Legat sofort begriff, als der Kapitän am zweiten Tag vorsichtig, ja scheinheilig und auf dem Wege über den Sekretär verlauten ließ, daß er einem gewissen Kaufmann gerne erlaubt hätte, bei der nächsten Landung in Messina an Bord zu kommen, wäre da nicht die erlauchte Anwesenheit des kaiserlichen Gesandten. Dieser spielte den Großherzigen und erklärte, er wolle der Aufnahme eines weiteren Passagiers nach Aschkelon nicht im Wege stehen. Jegliche Gesellschaft war ihm willkommen, wenn sie nur den unerquicklichen und unheimlichen Berichten des Kapitäns über Schiffbrüche, Haie und Tiefseeungeheuer ein Ende bereitete. Die Erwartung eines neuen Passagiers ließ den Legaten beinahe seine Seekrankheit vergessen, und er zählte die Tage bis Messina.
    Er wurde nicht enttäuscht. Der Neuankömmling, der die Fünfzig und eine spiegelnde Vollglatze ansteuerte, war, obwohl eben nur ein Kaufmann, der Gesellschaft eines Legaten nicht unwürdig. An der Art, wie er seine Dankbarkeit darüber zum Ausdruck brachte, daß man ihn an Bord aufnahm, erkannte der Legat einen Mann mit langer militärischer Erfahrung. Er täuschte sich nicht: Unter Cäsar Augustus’ Befehl hatte der Kaufmann als Offizier in Armenien gekämpft. Eine Stunde, nachdem er dem Legaten vorgestellt worden war, hatte der Kaufmann, während sie unter dem Schutz von zwei Legionären in einer Taverne gemeinsam speisten, genügend Selbstsicherheit gefunden, um aus diesen glorreichen Tagen zu erzählen. Er hatte jener ergreifenden Zeremonie beigewohnt, als Phraates IV., König der Parther, dem Cäsaren die Feldzeichen des Crassus und des Antonius zurückgab, da Augustus einwilligte, die parthische Unabhängigkeit zu respektieren.
    »Das war vor zwölf Jahren!« seufzte der Kaufmann. Der Wein tat das Seine, und so konnte sich der Legat bald über die Entdeckung seines behelfsmäßigen Reisebegleiters glücklich schätzen. Er lud diesen ein, ihn in die Bäder zu begleiten, denn nach fünf Tagen auf See ohne Bad und Rasur empfand er das dringende Bedürfnis, sich zu erfrischen. Der Kaufmann bedankte sich. Er ahnte wohl, daß er diese Gunst seiner Unterhaltung zu verdanken hatte, und so plauderte er lebhaft weiter, während die beiden Männer im Tepidarium ihre Muskeln lockerten, um sich dann ins Kaltwasserbecken zu begeben. Erst als der afrikanische Masseur ihn mit aromatischen Ölen einrieb und der Barbier ihn rasierte, verstummte er.
    Er sei, erzählte er, nur Kaufmann geworden, weil sein Schwiegervater, selbst seines Zeichens Kaufmann, seine drei Söhne in verschiedenen Kriegen verloren habe, wovon der letzte der Feldzug gegen die Pannonier gewesen sei, der im vorangegangenen Jahr beendet worden war. Der alte Mann habe verzweifelt nach einem vertrauenswürdigen Nachfolger gesucht, um wieder einen florierenden Handel aufzubauen. Und so sei es gekommen, daß er bei der Armee seinen Abschied eingereicht habe, um eine neue Laufbahn einzuschlagen. Zweimal im Jahr überquerte er das Mittelmeer in Richtung Orient, einmal im Sommer, das andere Mal im Herbst, um Gewürze, rohes und geschnitztes Elfenbein, Edelsteine, aber auch Nardenöl, Weihrauch, Myrrhe und Heilkräuter zu kaufen. Er kenne die Kyrenaika, Ägypten, Judäa, Syrien, Zypern und sei sogar bis Pergamon, Bithynien und zum Pontus vorgestoßen. Er spreche fließend Griechisch, Aramäisch, Ägyptisch und andere Sprachen.
    Der Legat hatte Anzeichen von Interesse gezeigt, als der Kaufmann Judäa erwähnte. Diesem war das nicht entgangen. Er beklagte die überhebliche Starrsinnigkeit der Juden. Sie seien soviel weniger zivilisiert als die Römer! Sie verehrten, und zwar fanatisch, nur einen einzigen Gott, den sie Jahwe nannten, jedoch in unwürdiger Weise fürchteten. Es sei nahezu unmöglich, ihr Verhältnis zu diesem Gott zu erklären, so verschieden sei es zu dem Respekt, den die Römer ihrem
    Jupiter oder die Griechen Zeus entgegenbrächten. Nein, das sei fast eine
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