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Ein Mann wie Mr Darcy

Ein Mann wie Mr Darcy

Titel: Ein Mann wie Mr Darcy
Autoren: Potter Alexandra
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komme vom Set eines Merchant-Ivory-Films und nicht aus den Straßen Manhattans.
    »Ja, danke«, antwortet sie mit englischem Akzent. Ohne aufzublicken, schiebt sie ein schmales, in Leder gebundenes Büchlein über die gläserne Ladentheke.
    Ich greife danach und werfe einen Blick auf den Titel. Die persönlichen Briefe von Jane Austen ist in goldenen Lettern auf dem Umschlag eingeprägt. Seltsam, ich kann mich nicht erinnern, dieses Buch schon einmal gesehen zu haben. Ich drehe es herum, doch da ist kein Barcode auf der Rückseite, nur ein handgeschriebener Aufkleber. Das ist nicht meine Schrift. Das Buch muss seit Jahren unerkannt im Regal gestanden haben, denke ich und gebe den Betrag in die Kasse ein.
    »Da. Wieso siehst du dir nicht einfach mal das Hotel an.« Stella, die aus dem Hinterzimmer getreten ist, legt eine leuchtend bunte Broschüre neben die Kasse. Aus dem Augenwinkel erhasche ich einen Blick auf eine Nahaufnahme kreischender vollbusiger Mädchen in Bikinis, die mit gereckten Armen auf einer aufblasbaren Banane reiten. FUN! FUN! FUN!, prangt in neongelben Buchstaben darüber.
    »Ich fürchte, du wirst auf mich verzichten müssen«, antworte ich, ohne den Prospekt auch nur in die Hand zu nehmen.
    »Warum denn? Ist doch ein tolles Angebot, und es wird bestimmt lustig. Denk doch nur an Sonne, Strand, Meer und …« Mit einem Blick auf die Kundin senkt Stella die Stimme und beugt sich zu mir. »Sex!«, flüstert sie.
    Die Vorstellung, wie ich in einem schaumgefüllten Nachtclub herumtanze, mit einem hübschen Armbändchen ums Handgelenk, einem pickeligen 18-Jährigen an der Seite und einer mit bunten Schirmchen verzierten Piña Colada in der Hand, erfüllt mich mit düsterer Beklemmung. »Tu ich ja«, murmle ich, während ich der englischen Dame ihre Quittung und eine braune Papiertüte mit McKenzie’s-Logo reiche. Das Gesicht immer noch unter der gigantischen Pelzmütze verborgen, neigt sie den Kopf, ehe sie kehrtmacht und den Laden verlässt.
    »Ich meine, sieh dir nur mal den Typen hier an. Der ist Wahnsinn.«
    Ich wende meine Aufmerksamkeit wieder Stella zu.
    »Ich komme nicht mit«, erkläre ich mit fester Stimme.
    »Oh, Em...«, bettelt sie.
    »Nein.« Ich schüttle resolut den Kopf, gehe zurück zum Computer und widme mich wieder den E-Mails: Buchbestellungen... Werbeangebote...
    »Was machst du denn dann? Sind deine Eltern dieses Jahr zu Hause?«
    Meine Eltern leben upstate New York, aber seit meinem College-Abschluss haben sie Weihnachten und Neujahr nicht mehr zu Hause verbracht. Letztes Jahr war es eine Safari in Botswana, im Jahr davor zwei Wochen auf einem Hausboot in Indien. Und davor … tja, das habe ich vergessen, aber es war ein Ort, wo Handys nicht funktionieren.
    ›Dein Erbe verprassen‹, nennen sie diese Reisen lachend, und ich freue mich aufrichtig für sie. Sie sind wiedergeborene Hippies mit einer Menge Geld – sie tragen Birkenstocks, fahren einen Hybridwagen und essen biologisch – Dad hat sogar mit Yoga angefangen, bis er einen Bandscheibenvorfall bekam -, und jedes Jahr verschwinden sie, ohne auch nur eine Weihnachtskarte zu schreiben.
    »Nein, sie fahren nach Thailand in irgendein Meditations-Zentrum«, erwidere ich achselzuckend. »Aber ich bin bei meiner Tante Jean zum Weihnachtsessen eingeladen.«
    Zugegeben, ich war immer ein bisschen unglücklich, wenn all meine Freunde die Feiertage zu Hause verbrachten, mit Weihnachtsbaum und Truthahn und so, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Normalerweise besuche ich meinen Bruder Pete in Brooklyn, aber er hat vor sechs Monaten Marlena kennen gelernt, eine Schauspielerin, und die beiden haben beschlossen, über Neujahr ihre Eltern in Florida zu besuchen. Was völlig in Ordnung ist.Wahrscheinlich bleibe ich dieses Jahr zu Hause und kuschle mich mit einem Glas Wein und einem guten Buch aufs Sofa. Und Silvester ist doch sowieso jedes Jahr nur eine riesige Enttäuschung, oder?
    »Aber was ist mit Silvester?«, fragt Stella, ohne von der Broschüre aufzusehen.
    Ich muss zugeben, dass ich nur sehr ungern jemandem von meinen Plänen erzählen möchte, für den es schon ein schwereres Schicksal als der Tod ist, an einem ganz gewöhnlichen Freitag zu Hause zu bleiben.
    Ich schweige. In diesem Moment sticht mir etwas auf dem Tresen ins Auge. Ein Flyer. Wie seltsam. Der war mir vorhin gar nicht aufgefallen. Wer hatte ihn wohl hier liegen gelassen? Neugierig greife ich danach. Auf der Vorderseite ist die Abbildung einer
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