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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
Autoren: Dirk van den Boom
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nicht.
    »Wir wollen keine Fremden«, fasste der Dorfschulze das Grundproblem zusammen. »Handel bringt Fremde. Wir wollen das nicht.«
    »Na ja, das ist in der Tat nicht zu vermeiden. Andererseits könntet Ihr ja auch die Brücke selbst benutzen und Eure Waren woanders …«
    »Wir reisen nicht«, meinte die Frau.
    »Wir haben keine Waren«, ergänzte Lorn.
    »Woanders wollen wir nicht hin«, schloss der Mann ab, der zuerst das Wort erhoben hatte.
    Dann herrschte wieder Schweigen. Es war wie eine undurchdringliche Mauer. Da war nicht einmal Feindseligkeit in der Haltung dieser Menschen – aber so eine tiefe Verbohrtheit und Verschlossenheit, die hoffentlich nicht charakteristisch für die ganze Baronie war. Andererseits war Floßheim die Siedlung, die dem »Ausland« am nächsten war, und wenn die Leute hier schon so mauerten, wie mochte es dann im Rest meines glorreichen Herrschaftsgebietes aussehen? Ich wollte es mir gar nicht ausmalen.
    Ich musste erneut tief Luft holen. Jetzt legte ich allen Ernst in meine Stimme und etwas wohldosierte Schärfe.
    »So funktioniert das nicht! Ich habe als neuer Baron eine Entscheidung getroffen. Ich bin viel in der Welt herumgekommen und habe keineswegs die Absicht, meine neue Herrschaft anzutreten und genauso sauertöpfisch und heruntergekommen zu enden wie ihr. Mir ist klar, dass das Leben hier schwer ist. Manchmal richtet man sich in seinem eigenen Leid wunderbar ein und weiß gar nicht mehr, dass es auch anders und besser werden könnte. Allerdings beabsichtige ich, Dinge zu ändern, vornehmlich zu verbessern. Wer mitmachen will, ist dazu herzlich eingeladen. Wer nicht, wird dazu getrieben. Ich habe eine Brücke erbaut, mit meinen eigenen Händen. Das war erst der Anfang. Ich bin der Baron von Tulivar, und es ist meine verdammte Pflicht und Aufgabe, etwas für meine Untertanen zu tun. Akzeptiert es oder nicht, aber so wird es sein.«
    Schweigen.
    Die Frau spuckte auf den Boden und schnäuzte sich, bestimmt nicht vor Rührung.
    »Wir brauchen keine Verbesserungen«, meinte sie schließlich.
    Zustimmendes Kopfnicken.
    »Wir brauchen auch keinen Baron«, ergänzte Lorn ohne jede Scheu. Er sah mich an und in seinen Augen stand keine Angst, nur eine tiefe, sorgsam gepflegte und über Jahre erarbeitete Bockigkeit.
    Ich seufzte.
    Es gab hier viel zu tun.
        
     

5   Tulivar
     
    Ich verschob diese Arbeit aber auf später.
    Nach weiteren ergebnislosen Gesprächen brachen wir auf, die dreckige und kaum als solche erkennbare Landstraße – mehr ein etwas breiterer Trampelpfad – in Richtung meines künftigen Herrschersitzes. Zum Schluss hatte ich den Ältesten von Floßheim noch etwas versprochen: dass ich hierher zurückkehren und am Markttag Gericht halten würde, wie es meine Pflicht als Herr über Tulivar war.
    »Wir haben keinen Markttag«, hatte die Alte gesagt.
    »Wir brauchen auch keinen«, ein weiterer.
    »Gericht brauchen wir auch nicht«, hatte Lorn ergänzt.
    Wir waren dann abgereist.
    Der Weg nach Tulivar war lang und ereignislos. Ich schätzte Letzteres. Nach drei Tagen hatten wir den Gipfel eines Hügels erklommen und erkannten im strahlenden Sonnenschein zwei Dinge: zum einen vor uns im Tal ein nur wenig größeres Häufchen armseliger Behausungen, das ich mit großen Schrecken als meine Hauptstadt erkannte, zum anderen im Norden, nur von etwas Dunst verhangen, das ferne Gebirge, die nördliche Grenze meines Gebietes. Ich wusste, dass dort die dritte Siedlung meiner Baronie lag, am Fuß der unwirtlichen und unbewohnten Berge, in die sich die Herrschaft des Imperiums nicht mehr erstreckte. Nördlich der Gebirgszüge wiederum, so sagte man, liege nur noch die Küste.
    Es war warm, fast heiß, und mein suchender Blick verharrte auf einem weiteren Hügel unweit der … Stadt. Auf diesem war ein windschiefer Turm zu erkennen. Wenn mich nicht alles täuschte und obgleich ich mir Besseres gewünscht hätte, handelte es sich dabei um das, was einmal Burg Tulivar hätte werden sollen, meinen Amtssitz.
    Mein Seufzen hörte man bis zum Nordgebirge. Und dort löste es sicher gerade eine Lawine aus.
    Auch meine Kameraden sahen wenig glücklich drein. Sie alle hatten nach den Erfahrungen in Floßheim die Hoffnung bewahrt, dass Tulivar – die Hauptstadt, bei den Göttern! – etwas mehr sein würde als ein weiteres armseliges Nest. Besonders Selur stand die Enttäuschung deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich beschloss, den Zweckoptimismus fahren zu lassen und ebenfalls
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