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Ein leicht versalzenes Jahr

Ein leicht versalzenes Jahr

Titel: Ein leicht versalzenes Jahr
Autoren: Frieda Lamberti
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der langen Fahrt völlig erledigt und strecke meine morschen Glieder lang aus, solange bis ich ein leises Knacken höre. Egal. Ich krabble über das Eingangstor. Nicht sehr galant, aber ich lande zumindest auf der richtigen Grundstücksseite. Nach wenigen Augenblicken werde ich von drei wilden Promenadenmischungen stürmisch begrüßt. Der große Hund reicht mir bis zur Hüfte, der mittlere bis zu den Knien und der kleinste hat die Höhe meiner Waden. Ich rufe ihnen zu » Fein« und »Lauf«, aber sie kesseln mich ein und geben keinen weiteren Zentimeter des Kiesweges an mich frei.
   »Allez«, rufe ich und werfe einen Stock in den Garten. Jetzt stürmen sie im Rudel davon und ich flitze schnell die letzten Meter bis zum Haus. Ich finde Linde auf einer Liege im Tiefschlaf vor. Neben ihr sind zwei weitere Liegen mit Schlafenden belegt. Ein Glatzkopf und eine Silberlocke. Ich schätze die beiden Männer auf ihr Alter. Sie schnarchen im Kanon und ich rufe laut
   »Bonjour oder wie sagt man hier?«
Das Bild, wie die drei Senioren gleichzeitig hochschrecken, hätte ich unbedingt aufnehmen müssen. Es hätte im Internet binnen weniger Tage Millionen Klicks bekommen.
   »Lotte? Seit wann stehst du schon da?«
Sie schüttelt sich, als wenn sie ihre Müdigkeit damit abstreifen könnte. »Revanche, meine Liebe. Wir haben vor einer Stunde unseren Mittagsjoint geraucht und sind gerade...wie sagtest du damals...etwas neben der Spur.« Ich gluckse innerlich laut auf. Na, das passt ja. Wenn ich nicht so stehend k.o. wäre, würde ich ihre Einladung zum Kaffee gerne annehmen, aber ich ziehe ein Bett vor und schlafe bis 22.00 Uhr in einem Stück durch.

Ich werde von leiser Musik geweckt. Ich tippe auf spanische Gitarren und folge dem warmen Schein des Kerzenlichts auf die Terrasse von Lindes Ponterosa. Die drei Hausbewohner sitzen am runden Tisch und unterhalten sich in gedämpfter Lautstärke.
   »Wegen mir, müsst ihr nicht flüstern. Ich habe ausgeschlafen und bin jetzt wieder fit wie ein Turnschuh.«
   »Hast du Hunger, Kind?«, fragt mich die Silberlocke, der mir von Linde als Albert vorgestellt wird.
   »Er nennt mich Kind? Was geht denn hier ab? Seit vierzig Jahren hat mich niemand mehr Kind genannt.«
   »Vermutlich erinnerst du ihn an seine Tochter«, lacht die Glatze, die ich künftig auch beim Namen nennen werde. Wie Caruso? Das ist doch wohl nicht sein richtiger Name.
   »Nein, eigentlich heiße ich Klaus. Aber kein Mensch nennt mich so.«
   »Caruso, weil er eine so göttliche Stimme hat. Du wirst ihn singen hören, Lotte. Bleib nur lang genug«, lacht Linde mich an und streichelt meine Hand. Sie bittet die Männer, mir einen Snack zuzubereiten und beide verlassen die Terrasse augenblicklich.
   »Warum diese Geheimniskrämerei. Weshalb darf Martin nicht wissen, dass du hier bist. Habt ihr Streit?« Ich ziehe einen Schmollmund und murmle unverständliches Zeug in meinen Bart.
   »Welcher der beiden gehört zu dir oder hast du etwa beide Männer am Wickel?«, frage ich und will geschickt von mir ablenken.
   »Traust du mir etwa beide nicht zu?«, lacht sie unverhohlen. Mittlerweile traue ich ihr alles zu und bewundere ihren glücklichen und zufriedenen Gesichtsausdruck. Ja, so entspannt wie diese Lady würde ich auch gern sein. Auf der Stelle fällt mir Buche ein. »Entspann dich. Mach dich endlich mal locker. Entkrampf dich, Lotte!«, höre ich ihn sagen. Ja, genau das, werde ich in diesem Urlaub lernen.

Ein beißender Gestank macht sich über dem Grundstück breit. Mein erster Gedanke ist GIFTALARM. Halten Sie sich nasse Tücher vor das Gesicht und atmen Sie auf keinen Fall tief ein. Aber es folgt keine Durchsage durch ein Megaphone, sondern Albert klärt mich auf.
   »Linde und Caruso machen heute wieder Seife. Das, was so in deiner Nase kitzelt, ist Lauge. Die beiden machen heute Olivenölseife im Kaltrührverfahren.«
   »Und dann?«
   »Und dann verkaufen wir sie auf den Wochenmärkten.«
Er führt mich in den Schuppen. Dort stehen rund zwanzig Holzregale auf denen zahlreiche Seifenbrote reifen.
   »Nach vier Wochen kann man die Seifen benutzen. Dann sind sie nicht mehr »scharf«, wie wir sagen. Nur Wasser, Öl und Natronlauge. Keine Konservierung, kein Parfum. Das Beste, was man zur Körperpflege benutzen sollte.«
Ich schnuppere und rieche nichts. Mit halber Begeisterung lächel ich zurück.
   »Glaub mir. Ich bin 78 Jahre alt und pflege
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