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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
Autoren: Kofi Annan
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Unabhängigkeit bei. Zwar kamen die Anführer der Bewegung ins Gefängnis, aber am Ende stammten Ministerpräsidenten, Richter und Militärkommandeure aus ihren Reihen.
    In Ghana war der Kampf um die Entkolonialisierung weniger durch einen Konflikt zwischen Weiß und Schwarz geprägt als vielmehr durch eine Auseinandersetzung zwischen Gruppen innerhalb des Landes. Dafür hatten die Mücken gesorgt, denn obwohl der Sklavenhandel über Jahrhunderte hinweg florierte, hatten sich aus Furcht vor Malaria und Gelbfieber nur wenige weiße Siedler im Land niedergelassen. Stattdessen tobte der Kampf zwischen Ghanaern, zwischen Radikalen und Gemäßigten, und mein Vater wurde zu einem prominenten Vertreter derjenigen, die einen Wandel durch eine stetige maßvolle Transformation anstrebten.
    Der ghanaische Unabhängigkeitskampf war durch diese Dualität von Tradition und Modernität, Gebildeten und Arbeiterklasse, Aschanti und Küstenstämmen gekennzeichnet. Wie in vielen anderen afrikanischen Kolonien waren es Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg in der britischen Armee gekämpft hatten, die nach ihrer Heimkehr die Ungleichheit der kolonialen Praktiken auf grundsätzlichere Weise in Frage stellten. Sie mussten mitansehen, wie britische Soldaten, an deren Seite sie gekämpft und geblutet hatten, großzügige Pensionen sowie Land und andere Belohnungen in Afrika erhielten, während sie selbst leer ausgingen. Zusammen mit führenden Vertretern der ghanaischen Akademikerschicht – Rechtsanwälten, Ärzten und Ingenieuren – riefen diese Kriegsveteranen eine Kampagne für die Unabhängigkeit ins Leben. Als konservative Mitglieder der Gesellschaft – was sie naturgemäß waren, da sie selbst unter der Kolonialherrschaft Status, Besitz und Privilegien erworben hatten – schwebte ihnen ein vorsichtiger, planmäßiger Regimewechsel vor. Entsprechend lautete ihr Unabhängigkeitsslogan: »Schritt für Schritt«.
    Die Partei dieser Gruppe war die United Gold Coast Convention ( UGCC ), zu deren Sekretär sie einen enthusiastischen, mutigen Aktivisten namens Kwame Nkrumah machten. Als Angehöriger eines kleineren ghanaischen Stammes und Sohn eines Goldschmieds, der, um sich weiterzubilden, in die Vereinigten Staaten und nach Großbritannien gegangen war, brachte Nkrumah eine Ungeduld und Leidenschaftlichkeit in den Kampf ein, die mit dem gemächlichen Tempo der ghanaischen Elite schwer vereinbar waren. Ihrer Herablassung ihm gegenüber überdrüssig, ebenso wie der geringschätzigen Haltung gegenüber seinen in ihren Augen aufrührerischen Anhängern, trennte er sich von der UGCC und gründete die Convention People’s Party ( CPP ). Er besaß indes mehr als nur Ungeduld, nämlich einen scharfen, strategisch denkenden Verstand und ein Organisationstalent, das dem seiner vormaligen Parteifreunde weit überlegen war. Rasch wurde er zum unumstrittenen Führer der ghanaischen Unabhängigkeitsbewegung.
    Mein Vater – einer der wenigen afrikanischen Manager in einem europäischen Handelsunternehmen, ein führendes Mitglied der UGCC und enger Freund des Asantehene, des Aschantikönigs – musste in dieser Zeit sorgfältig abwägen. Unser Haus wurde damals zum Versammlungsort prominenter UGCC -Mitglieder – so dass sogar Nkrumah-Aktivisten im Park auf der anderen Straßenseite Demonstrationen abhielten. Als junger Mann war ich stark beeinflusst von den Diskussionen, die mein Vater und seine Freunde in unserem Haus führten. Gleichzeitig fühlte ich mich von der Leidenschaftlichkeit und Dringlichkeit von Nkrumahs Forderung nach »Unabhängigkeit jetzt« angezogen. Manche von Nkrumahs Äußerungen – dass wir auf eigenen Füßen stehen und unser Schicksal selbst in die Hand nehmen müssten – fielen bei mir auf fruchtbaren Boden.
    All dies lehrte mich, wie es nur die eigene Erfahrung kann, dass friedlicher Wandel möglich ist – sogar, wenn es um eine grundlegende Umgestaltung geht. Als der erste ghanaische Polizeipräsident und der erste ghanaische Armeechef vereidigt wurden, schien plötzlich nichts mehr unmöglich zu sein. Jeder aus meiner Generation war von Stolz, vor allem aber von dem Gefühl erfüllt, dass ihm die Welt offenstand. Dieser Glaube an die umfassende Veränderung begleitete mich, während ich auf meinem Bildungsweg in die Vereinigten Staaten und nach Europa gelangte und schon als junger Mann eine Laufbahn absolvierte, die Anstellungen bei der Weltgesundheitsorganisation ( WHO ) in Genf, der UN -Wirtschaftskommission für
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