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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt
Autoren: Stefanie Gercke
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Ochsenfrösche dröhnten, und das Leben war so schön, dass es kaum auszuhalten war.
    Martin wusste noch nichts von ihrem Kind. Sie war allein gewesen, er für ein paar Tage nach Johannesburg gefahren, und irgendwie, vielleicht durch die Hektik der Hochzeitsvorbereitungen, schien es nie der richtige Moment zu sein, es ihm zu erzählen. Morgen, entschied sie, morgen werde ich es ihm sagen.
    Ein Hund bellte, ein zweiter fiel ein, und sie schreckte hoch. Die Tauben verstummten, die leisen Stimmen und das Lachen auch, nur ein Schwarm winziger Vögel stob schrill kreischend davon. Mit einem Unmutslaut schlug sie das Laken zurück, schob das Moskitonetz beiseite und setzte die Füße auf den aprikosenfarbenen Teppich, der ihre Betten umrandete. An Ruhe war nicht mehr zu denken. Roly und Poly, ihre beiden Dobermänner, bellten immer noch, ein atemloses Kläffen mit hysterischen Obertönen. Vermutlich hatten sie einen Mungo aufgestöbert, oder Pongo, das winzige Warzenschweinweibchen, das Ben ihr kürzlich gebracht hatte. Es sauste urplötzlich wieselflink heran, zwickte sie in die Hinterbeine und entwischte wieder, trieb die Hunde dabei schier zum Wahnsinn.
    Sie streckte sich noch einmal. Es war warm im Zimmer, fast stickig. Wenn Martin nicht über Nacht blieb, schaltete sie die Klimaanlage aus und schlief bei weit geöffneten Fenstern. »Es ist kalt wie ein Eisschrank«, hatte sie protestiert, als er in der ersten Nacht, die er bei ihr verbrachte, Jalousiefenster und Tür verschloss und die Klimaanlage auf kalt stellte.
    Aber er konnte anders nicht schlafen, stand mit Kopfschmerzen und schlechter Laune auf. »Du bist wirklich unvernünftig, du weißt, wie gefährlich es ist, nachts die Fenster offen zu haben. Irgendwann wird einer von den Eingeborenen reinkommen und uns beide in Stücke hacken. Ich hab kaum eine Auge zugetan.«
    »Hier gibt es weit und breit nur Menschen, die zur Familie gehören, die ich seit meiner Geburt kenne. Keiner wird uns etwas tun.«
    »Ich werde viel geschäftlich unterwegs sein, und ich will nicht ständig Angst um dich haben, Liebling. Denk an den Keulen-Mann.«
    »Der Keulen-Mann! Das ist mindestens sechs Jahre her, der war verwirrt und hörte Stimmen oder sonst was … Ich mag darüber nicht nachdenken.«
    »Das solltest du aber, hör auf, den Kopf in den Sand zu stecken. Der Keulen-Mann war ein Zulu aus dieser Gegend, bösartig, und hasste alle Weißen. Er stieg nachts in die Häuser ein und schlug die Leute im Bett mit seiner Keule zu Brei, schlug zu, bis ihre weißen Gesichter rot waren …« Tiefe Besorgnis schwang in seinen Worten mit.
    Unbehagen trippelte wie Millionen Ameisenfüße über ihre Haut, abwehrend hob sie die Hände. »Hier auf Inqaba passiert so etwas nicht, ich bin hier völlig sicher. Deine Angst ist übertrieben.« Doch das Gefühl, dass er sich um sie sorgte, war angenehm und warm, und als er dann seine wirkungsvollste Waffe einsetzte, diesen Blick, der ihr die Knie weich machte, das Blut in den Kopf trieb und den Atem nahm, gab sie willig nach. Die erste Nacht wachte sie jämmerlich frierend auf, aber Martin zog sie fest an sich, wärmte sie mit seinem Körper, und im sicheren Kokon seiner Arme schlief sie wieder ein.
    Heute Morgen musste er um halb acht zu Vertragsverhandlungen in Durban sein. Er hatte dort bei Freunden übernachtet, sonst hätte er mitten in der Nacht aufstehen müssen. Ein wichtiger Tag für ihn. Es ging um die Bauleitung des Hauses eines Großreeders im Nobelvorort La Lucia. Sie hatte die Gelegenheit genutzt, alle Fenster auf Durchzug gestellt, nur die leichten Baumwollgardinen vorgezogen. Doch diese Nacht hatte sie vom Keulen-Mann geträumt.
    Gähnend zog sie die Gardinen vollends zurück und schaute hinaus in den herrlichen afrikanischen Morgen. Es war klar und still, der Rauch aus Nellys Kochhütte stieg hinter der flachen Anhöhe fadengerade in den perlrosa Himmel. Die Schatten der Nacht lagen noch in den Senken, aber im Osten verwandelte schon ein Strahlen den Morgendunst über dem fernen Meer in Goldgespinst. Andächtig sah sie zu, wie das Strahlen feuriger wurde, die Schatten zerrissen, die Hügelkuppen aufglühten, und dann berührte prickelnde, lebendige Wärme ihre Haut. Aus einem Maisfeld flog ein Schwarm Glanzstare hoch ins Licht, zog als grün schillernde Wolke eine Schleife und fiel schrill zwitschernd in die Guavenbäume ein, die neben dem alten Mangobaum unweit ihres Bungalows wuchsen.
    Die Sonne stieg rasch, blendete, und sie
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