Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
wandte sich eben ab, um ins Badezimmer zu gehen, als wieder ein winziger Laut ihr Ohr berührte, ein eigentümliches, trockenes Schaben, wie von einem nackten Fuß, der über die Fliesen schleift. Jetzt wusste sie, dass dieses Geräusch sie geweckt hatte, war sich sicher, nicht mehr allein im Zimmer zu sein. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war so intensiv, als hätte sie jemand tatsächlich berührt. Ihr Herz machte einen Satz. Lautlos richtete sie sich auf und schaute sich um.
    Die Türen zum Flur und Badezimmer waren geschlossen, niemand konnte hereingekommen sein. Ihr Bungalow war in den Hang gebaut, ruhte vorn auf Stelzen. Ein kurzer hölzerner Steg verband ihn mit dem Weg, der über mehrere Stufen zum Haupthaus führte. Alle Zimmer öffneten sich auf die teilweise überdachte Veranda, auch die Fenster und die doppelflügelige Glastür ihres Schlafzimmers. Sie spürte den schwachen Windhauch im Nacken, der durch die offenen Jalousiefenster strich, fühlte sich aber davon beruhigt, dass die massive Holzkonstruktion, die das Haus stützte, mit Bougainvilleen berankt war, die außer wunderschönen kupferrosafarbenen Blüten auch äußerst wehrhafte Dornen trugen. Davor wucherten hohe Amatungulubüsche, deren Dichte und zwei Zentimeter lange Stacheln einen zusätzlichen Einbruchsschutz bildeten.
    Resolut schüttelte sie das unangenehme Gefühl ab. Es war nichts. Außerdem waren die Fenster im Schlafzimmer vergittert, und sie gestand sich ein, dass sie froh darüber war, dass Martin diesen Streit gewonnen hatte. Als kürzlich Gerüchte aufgekommen waren, dass Nelson Mandela in absehbarer Zeit freigelassen und alle verbotenen Parteien, wie der African National Congress und der militante Pan African Congress, legalisiert werden sollten, hatte er nachdrücklich verlangt, Fenster und Türen sofort mit kräftigen Gittern sichern zu lassen.
    »Wer soll uns hier überfallen?«, hatte sie ihn gefragt, wie schon zuvor. »Das Haus liegt mehr als zwei Kilometer von der Straße entfernt, und du weißt doch, ich kenne hier jeden. Es sind fast alles Freunde aus meiner Kindheit, die meisten sind hier geboren.«
    »Liest du eigentlich nie Zeitung oder siehst dir Nachrichten im Fernsehen an? Unser Land ist in Aufruhr, die Farmer werden abgeschlachtet, und du weigerst dich, es zu sehen.«
    Natürlich wusste sie, dass das weiße Südafrika sich hinter meterhohen Zäunen verschanzte, hatte den harmlos aussehenden, feinen Draht gesehen, von dem diese Zäune gekrönt wurden, hatte gehört, dass er angeblich mit neun- bis elftausend Volt geladen war und einen Ochsen umhauen konnte, stufte diese Vorsichtsmaßnahmen jedoch als hysterisch ein. Hier auf Inqaba war das nicht nötig, dessen war sie sich sicher. »Nicht hier, hier ändert sich nichts«, erwiderte sie.
    »Das ist doch Quatsch. Da draußen tobt ein Krieg, Jill. Wir werden jetzt Gitter montieren, ich werde das nicht diskutieren.«
    Es war sein Ton, der sie in Wut versetzte. »Werden wir nicht«, fauchte sie, »es ist mein Haus!«
    »Dann zieh ich hier nicht ein!«
    »Sei froh, dass meine Eltern uns erlauben, hier zu wohnen, du weißt genau, dass wir uns von deinem Geld kein eigenes Haus leisten können.« Damit hatte sie ihn stehen lassen. Es war das erste Mal, dass heftige Worte zwischen ihnen gefallen waren.
    »Wir werden alle in unserem Blut ertrinken«, hatte er hinter ihr hergebrüllt.
    Hitze stieg ihr in die Wangen, als sie daran dachte, wie sie sich, beide gleichzeitig von Reue gepackt, in die Arme gefallen waren und hingebungsvoll den ganzen Nachmittag bei vorgezogenen Gardinen Versöhnung gefeiert hatten. Zwei Tage nach ihrem Streit stürmte er mittags auf die Terrasse des Haupthauses. »Hast du’s gehört?«, verlangte er zu wissen.
    Sie sah von ihrem Buch auf. »Nein, was?« Roly und Poly, die rechts und links neben ihrem Liegestuhl lagen, hoben die Köpfe und knurrten warnend. »Ist die Welt untergegangen, und ich habe es nicht bemerkt?« Sie lachte über ihren kleinen Scherz.
    »Es hat Malcolm und Jenny erwischt …« Er konnte kaum sprechen.
    Sie verstand nicht. »Erwischt? Was meinst du damit?«
    »Sie sind heute Nacht überfallen worden. Man hat ihnen die Kehle durchgeschnitten …«
    »Oh«, ihre Hand flog zu ihrem Hals. Malcolms und Jennys Farm grenzte im Südosten unmittelbar an Inqaba. »Warum hat man sie umgebracht?«, würgte sie mühsam hervor. »Sind sie ausgeraubt worden? Nicht wahr, das ist es? Ihr Haus liegt ziemlich dicht an der Straße … da ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher