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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Ein besonderer Mensch sind Sie, Ilja Stepanowitsch .«
    »Wie Sie, Victor Juwanowitsch . Wie selten sind solche Begegnungen!«
    Sie drückten sich noch einmal beide Hände, dann verließ Wolozkow das Hospital. Abukow blickte ihm nach, wie er sich gegen den Schneesturm geduckt zurück zur Kommandantur kämpfte.
    Spät erst kam die Tschakowskaja von den Kranken zurück. Müde war sie, ließ sich auf das Sofa sinken und streckte beide Beine von sich. Abukow hockte sich vor sie, zog ihr die Schuhe aus und massierte ihr die Füße. Während er damit beschäftigt war, knöpfte sie die Bluse auf, zog sie aus und warf sie in die Ecke. Eine Wolke von Karbolgeruch flog mit ihr.
    »Zwei neue Amputationen«, sagte sie, beugte sich zu Abukow und küßte seine Stirn. »Beide Ohren und vier Finger an der rechten Hand. Abgestorben waren sie. Wie er gefleht hat: Laßt mir meine Hand, ich bitte euch, liebe Genossin! Gibt es keine andere Möglichkeit? Was soll ich mit einer verstümmelten Hand? Rettet sie mir … Ein Student der Feinmechanik war er, hat in Kalinin Flugblätter verteilt vom ›Bund russischer Solidaristen‹. Erneuerung Rußlands aus christlichem Geist stand darauf. Sieben Jahre Sibirien kostete ihn das. – Hat keinen Sinn, sagte Dshuban Kasbekowitsch . Es geht nicht anders, sonst ist die ganze Hand, ist vielleicht der ganze Arm verloren. – Selbst in der Narkose hat er noch geschluchzt, der Junge.«
    »Ich setze mich nachher an sein Bett«, sagte Abukow und stand auf. »Was soll ich dir bringen, Larissaschka ? Tee, Wodka, Wein?«
    »Nichts. Nur Ruhe möchte ich.« Sie lehnte sich weit zurück. In der Grube zwischen ihren Brüsten sammelte sich Schweiß, heiß war es im Zimmer, und die Erschöpfung öffnete die Poren. Abukow ging ins Badezimmer, holte ein Frottiertuch, tupfte ihren blanken Oberkörper ab und legte ihr nachher das Tuch über die Schultern. »Wie schön, daß du da bist, mein Liebling …«
    »Wir haben einen neuen Freund«, sagte Abukow .
    » Belgemir Valentinowitsch ?«
    »Verrückt ist es, aber Tatsache: einen Freund vom KGB.«
    »Mein Gott! Wolozkow !« Sie richtete sich auf und starrte ihn erschrocken an. »Bist du leichtsinnig gewesen, Victor?!«
    »Für ihn bin ich der Kraftfahrer Abukow aus Kirow.«
    »Ein kluger, gefährlicher Bursche ist er. Vertrau ihm nicht! Ein Wolf bleibt ein Wolf, auch wenn er sich mit Gänsefedern beklebt. Sei vorsichtig.«
    »Wenn Rassim könnte, würde er Wolozkow in Jachjajews ›Kasten‹ stecken. Sobald sie sich sehen, möchten sie sich anspringen.«
    »Beobachten müssen wir ihn«, sagte sie und dehnte sich wieder. »Mein Liebling, was weißt du schon vom KGB? Jachjajew war einer, und Wolozkow ist einer, und so gibt es Tausende von ihnen, und jeder ist anders – aber sie alle haben etwas Gemeinsames: Gefährlich sind sie. Nie vergessen soll man das; auch dann nicht, wenn sie dich wie einen Bruder küssen.«
    »Ausnahmen gibt es, Larissanka .«
    »Wie Goldkörner in einem Sandhaufen.«
    »Und wenn Wolozkow solch ein Goldkorn ist?«
    »Dann muß es leuchten aus der Masse – warten wir darauf!« Sie streckte beide Arme nach Abukow aus und schloß die Augen. »Trag mich ins Bett, mein Liebling. Vor Müdigkeit werde ich nicht gehen können …«
    Er schob die Arme unter ihren Körper und hob sie hoch. Während sie mit den Lippen über sein Gesicht tastete, trug er sie hinüber ins Schlafzimmer und legte sie behutsam auf das Bett. Als er sich aufrichtete, hielt sie ihn fest und schlang die Arme um seinen Nacken.
    »Bleib bei mir, geh nicht fort …« Er ließ sich von ihren Armen herunterziehen und legte seinen Kopf zwischen ihre Brüste. Er spürte ihren Herzschlag und hörte das leise Rauschen ihres Atems. »Einen Gedanken habe ich: Niemals werden sie uns trennen können, niemals dich oder mich versetzen können und uns auseinanderreißen – wenn wir heiraten …«
    Abukow wollte den Kopf heben, aber der Druck ihrer Arme hielt ihn zwischen ihren Brüsten fest.
    »Du weißt, daß das völlig unmöglich ist«, sagte er, mit den Lippen auf ihrer warmen, glatten, duftenden Haut.
    »In Sibirien ist nichts unmöglich, das hast du gelernt.«
    »Das ist unmöglich. Ich bin Priester.«
    »Wer weiß das, mein Engel?«
    »Heute über dreihundertfünfzig Männer und Frauen meiner Gemeinde.«
    »Keiner von ihnen wird einen Stein auf dich werfen oder weglaufen, wenn du mit ihnen betest.«
    »Wir werden uns in diesem Punkt nie verständigen können«, sagte Abukow , gefangen von
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