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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Vogel abwärts und ließ sich auf einem der Nester nieder; er sah umher und beugte sich vor, um eine winzige, haarfeine Wurzel ordentlich zu biegen, die nicht am richtigen Fleck zu sein schien. Dann sprang er in die Luft — ich kann es nicht anders nennen — und schwang sich den Hügel hinab in den düsteren Wald hinein. Der zweite Picathartes kam zwischen den Felsen hervor und folgte ihm. Kurz darauf hörten wir ihre klagenden Rufe.
    »Ah«, sagte Elias; er stand auf und streckte sich. «Er fort.«
    »Er kommt nicht zurück?« fragte ich und knuffte dabei mein Bein, das eingeschlafen war.
    »Nein, Sah. Er gehen in Busch zu dickem Stamm und schlafen. Morgen er kommen zurück und arbeiten an diesem Haus.«
    »Gut, dann können auch wir nach Eshobi gehen.«
    Der Abstieg ging wesentlich schneller als der Anstieg. Unter dem dichten Baldachin der Bäume war es jetzt so dunkel, daß wir wieder und wieder den Pfad verfehlten und lange Strecken den Hügel hinabrutschten. Verzweifelt griffen wir nach Bäumen und Wurzeln, um unser Tempo zu stoppen. Zerschunden, zerkratzt und mit Laub bedeckt, langten wir endlich auf dem Eshobi-Boulevard an. Ich war überglücklich, endlich einen lebenden Picathartes in seiner eigenen Umgebung gesehen zu haben, doch gleichzeitig enttäuscht, denn ich wußte, daß wir kaum einen Jungen würden fangen können. Darum war es sinnlos, noch länger in Eshobi zu bleiben und besser, am nächsten Morgen nach Mamfe zurückzukehren. Auf dem Rückweg konnten wir vielleicht einige andere Tiere fangen. Eine der vielversprechenden Möglichkeiten, in Kamerun Tiere zu fangen, ist die, hohle Bäume auszuräuchern. Ich hatte auf dem Weg nach Eshobi mehrere hohle Baumriesen entdeckt, die eine genauere Untersuchung lohnen würden.
    Zeitig packten wir am nächsten Morgen unsere Siebensachen zusammen und schickten die Träger damit voraus. Bob und ich, Elias und drei weitere Jäger aus Eshobi folgten ihnen langsam nach.
    Unser erster Baum stand etwa fünf Kilometer von Eshobi entfernt ziemlich nahe am Weg; er war 30 bis 40 Meter hoch und hohl wie eine Trommel. Einen Baumstamm auszuräuchern ist eine Kunst für sich und eine langwierige und manchmal schwierige Arbeit. Vor dem Ausräuchern sollte man womöglich untersuchen, ob sich die Mühe lohnt. Hat der Baum an seinem Fuß ein Loch — und die meisten haben eins — so ist das verhältnismäßig einfach. Man braucht nur den Kopf hineinzustecken, während ein anderer mit einem Stock gegen den Stamm schlägt. Sind Tiere in dem Baum, wird man sie unruhig hin- und herlaufen hören. Sollte man sie etwa nicht hören, zeigen sie ihre Anwesenheit durch einen Regen staubigen, verrotteten Holzes an, der im Stamm herunterrieselt. Ist man sicher, daß sich weitere Mühe lohnt, muß man den Stamm mit Feldstechern nach möglichen Löchern, aus denen die Tiere entweichen können, absuchen und sie mit Netzen bedecken. Dann wird ein Mann in den Baum gesetzt, um jedes Tier, das oben herauskommen will, zu schnappen. Ebenso müssen die Löcher am Fuß des Baumes mit Netzen verschlossen werden. Die heikelste Angelegenheit ist das Entzünden des Feuers. Da das Innere solcher Bäume meistens morsch ist und wie Zunder brennt, muß man sehr vorsichtig zu Werke gehen, damit nicht etwa der ganze Baum in Flammen steht. Zuerst entfacht man aus trockenen Zweigen, Moos und Blättern ein kleines Feuerchen; sobald es hell brennt, bedeckt man es nach und nach mit immer größeren Mengen grüner Blätter, damit die Flamme nicht auflodert, sondern nur glimmt, und ein dicker, stechender Rauch aufsteigt, der von dem hohlen Baum wie ein Kamin hochgesaugt wird. Dabei kann nun alles mögliche passieren und für gewöhnlich geschieht auch alles mögliche; denn diese hohlen Bäume beherbergen oft eine teuflische Vielfalt von Einwohnern — von fauchenden Kobras bis zu Zibetkatzen, von Riesenschlangen bis zu Fledermäusen. Deshalb ist es eines der Hauptvergnügen beim Ausräuchern, daß man nie weiß, was alles zum Vorschein kommt.
    Unser erster Baum war nicht besonders ertragreich. Ans Tageslicht kamen eine Handvoll blattnasiger Fledermäuse, mit Gesichtern, die unseren Wasserspeiern erstaunlich ähneln, drei riesige Tausendfüßler, die wie Frankfurter Würstchen mit einer Franse aus Beinen aussahen, und eine kleine Haselmaus, die einen der Jäger in den Daumen biß und dann ausrückte. Wir nahmen also die Netze wieder ab, löschten das Feuer und zogen weiter. Der nächste Baum war bedeutend größer und
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