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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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flammenrot zu weiß, von himmelblau zu violett und purpurrot, wenn die Insekten wie im Trancezustand die Flügel langsam öffneten und schlossen, als applaudierten sie dem kühlen Schatten. Die braunen, kräftigen Beine unserer Träger wateten gleichgültig hindurch, so daß wir plötzlich bis zur Taille in einem wirbelnden Farbkarussell standen. Die Schmetterlinge gaukelten und schwärmten um uns herum und ließen sich, wenn wir vorüber waren, wieder auf dem dunklen Boden nieder, der üppig und feucht wie eine Obsttorte und ebenso duftig und locker war.
    Ein weitausladender alter Baum markierte die erste Weghälfte nach Eshobi. Er war so in ein Netz von verschlungenen Lianen eingesponnen, daß man ihn kaum sah. Hier war Rastplatz. Die Träger, die den Atem grunzend und zischend durch die Zähne stießen, luden ihre Lasten ab und hockten sich neben sie. Der Schweiß glänzte auf ihrer Haut. Ich reichte Zigaretten herum. Wir saßen da und genossen sie schweigend. In dem trüben, kirchenähnlichen Dämmer des Waldes bewegte sich nicht ein Lüftchen; der Rauch stieg kerzengerade auf und formte in der Luft blaue Säulen. Es gab nur ein Geräusch, den unablässigen kreissägeartigen Gesang der großen grünen Zikaden, die an jedem Baum hingen. In der Ferne hörte man das trunkene Geschrei eines großen Schwarms Hornvögel.
    Beim Rauchen beobachteten wir die braunen Skinke, die zwischen den Baumwurzeln jagten. Diese kleinen Echsen sehen immer sauber und glänzend aus, als wären sie eben aus einer Schokoladenmasse gestiegen — glitzernd und unberührt. Sie bewegten sich langsam und vorsichtig, gerade als fürchteten sie, ihre wunderschöne Haut zu beschmutzen. Mit blanken Augen lugten sie von einer Seite zur anderen, wenn sie durch die Welt der braunen toten Blätter glitten, durch Wälder winziger Giftpilze und Mooswiesen, die wie ein Teppich die Steine bedeckten. Ihre Beute waren die zahllosen Bewohner des Waldbodens; kleine schwarze Käfer, die wie verspätete Trauergäste dahereilten; die langsamen, leichtgleitenden Waldschnecken, die ein Silberfiligran von Schleim über die Blätter woben, und die kleinen, nußbraunen Grillen, die im Schatten hockten und ihre ungeheuer langen Fühler hin und her bewegten, wie Sonntagsfischer an einem Flußufer.
    In den dunklen, feuchten Vertiefungen zwischen den Brettwurzeln unseres Baumes lebten Schwärme einer Insektenart, die mich stets fasziniert hatten. Sie sahen aus wie kleine schlafende Langbeiner und hatten undurchsichtige, nebelweiße Flügel. In Gruppen zu zehn saßen sie da, zitterten leicht mit den Flügeln und bewegten die zerbrechlichen Beine wie nervöse Pferde auf und nieder. Wenn man sie störte, schwärmten sie auf und tanzten einen Reigen, der sehr amüsant zu beobachten war. Sie stiegen etwa 20 Zentimeter auf und bildeten einen Kreis von der Größe einer Untertasse. Dann flogen sie ungeheuer geschwind im Kreis herum. Einige schossen über ihn hinaus, während die übrigen weiter wie ein Rad herumwirbelten. Aus der Entfernung wirkte das Ganze fast überirdisch, denn die Insekten glichen einem wirbelnden und schimmernden Nebelball, der von Zeit zu Zeit seine Form etwas veränderte, aber stets an der gleichen Stelle verharrte. Die Tiere flogen so schnell, und ihre Leiber waren so zierlich, daß man nur den Schimmer ihrer weißen Flügel erkennen konnte. Ich gestehe, dieses Schauspiel begeisterte mich so, daß ich im Walde oft vom Wege abging, um Gruppen dieser Insekten aufzustöbern, damit sie für mich tanzten.
    Zu Mittag kamen wir in Eshobi an, das sich in den acht Jahren seit meinem letzten Hiersein kaum verändert hatte. Da stand immer noch das Häufchen strohgedeckter Hütten in zwei unregelmäßigen Reihen, zwischen denen ein breiter, staubiger Weg lag. Dieser Weg war zugleich Hauptstraße des Dorfes, Spielplatz für Kinder und Hunde und Auslauf für die Hühner. Elias kam uns entgegengewatschelt, um uns zu begrüßen. Dabei mußte er sich vorsichtig einen Weg durch die herumkriechenden Babies und anderen Lebewesen suchen. Zwei kleine Jungen mit zwei großen grünen Kokosnüssen auf dem Kopf folgten ihm.
    »Willkommen, Masa. Du kommen«, rief er heiser.
    »Wie geht’s Elias«, antwortete ich. Fröhlich grinste er uns an, als die Träger unsere Ausrüstung über die Dorf Straße verteilten.
    »Masa trinken diese Kokosnuß?« fragte er erwartungsvoll und schwenkte dabei seine Machete.
    »Ja, gern«, sagte ich und betrachtete dabei durstig die beiden riesigen
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