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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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anderen.
    »Du ihn finden?« Ich konnte mein Glück kaum fassen. »Wo ist er? Wie viele hast du gesehen. An welchem Ort?«
    »Er da, da«, unterbrach Elias die Flut meiner aufgeregten Fragen. »Für Haus er haben großen, großen Felsen. Er leben oben auf Berg. Er haben Haus auf großem Felsen.«
    »Wie viele Häuser hast du gesehen?«
    »Ich sehen drei, Sah. Aber nie machen fertig ein Haus, Sah.«
    »Was bedeutet diese Aufregung?« fragte Jacquie, die eben auf die Veranda herauskam.
    »Picathartes«, sagte ich kurz. Und es spricht für sie, daß sie sofort wußte, worum es ging.
    Picathartes ist ein Vogel, den man bis vor wenigen Jahren nur von einzelnen ausgestopften Museumsexemplaren her kannte. Kaum mehr als zwei Europäer hatten ihn in der Natur beobachtet. Cecil Webb, seinerzeit offizieller Tierfänger des Londoner Zoos, gelang es, das erste Exemplar dieses seltenen Vogels zu fangen und mit nach England zu bringen. As ich sechs Monate nach ihm in Kamerun war, hatte man mir zwei erwachsene Exemplare gebracht; doch leider starben sie auf der Heimreise an einer bösartigen Lungenkrankheit. Jetzt hatte Elias eine Brutkolonie entdeckt. Wenn wir Glück hatten, mußte es uns gelingen, einige Junge zu fangen und aufzuziehen.
    »Dieser Vogel hat Junge im Haus?« fragte ich Elias. »Manchmal er haben Junge, Sah«, antwortete er zögernd. »Ich Vogel nie sehen im Haus. Ich fürchten, er wegfliegen.«
    »Also«, sagte ich und wandte mich an Jacquie, »da gibt es nur eins, ich muß nach Eshobi gehen und selbst nachsehen. Du und Sophie, ihr bleibt hier und kümmert euch um die Sammlung, Bob werde ich mitnehmen. Wir werden ein paar Tage lang nach dem Picathartes ansitzen. Selbst, wenn sie keine Jungen haben, möchte ich sie in der Natur beobachten.«
    »Gut. Wann werdet ihr aufbrechen?« fragte Jacquie. »Morgen, wenn ich bis dahin Träger bekomme. Rufe Bob und sage ihm, daß wir endlich in den Busch gehen werden; sag ihm auch, er solle seine Ausrüstung zum Schlangenfangen mitnehmen.«
    Am nächsten Morgen also, als es noch verhältnismäßig kühl war, erschienen acht Afrikaner vor John Hendersons Haus. Nach dem üblichen Gezänk, wer was tragen sollte, luden sie unsere Bündel auf ihre wolligen Köpfe und machten sich auf den Weg nach Eshobi. Als wir den Fluß überquert hatten, führte der Weg die kleine Kavalkade durch das Grasfeld unserer vergeblichen Schlangenjagd. Dann versanken wir im geheimnisvollen Dunkel des Waldes. Der Pfad nach Eshobi wandte und schlängelte sich durch die Bäume in unzähligen verschlungenen Windungen, die einen römischen Straßenbaumeister entsetzt hätten. Manchmal führte er beinahe im Kreis herum, um einem großen Felsen oder einem gefallenen Baum auszuweichen. Dann wieder lief er schnurgerade über alle diese Hindernisse hinweg, und unsere Träger mußten anhalten und die Lasten von Hand zu Hand über den Baumstamm heben oder von einer kleinen Klippe hinunterreichen. Ich hatte Bob darauf vorbereitet, daß wir kaum »wilde« Tiere auf unserem Marsch antreffen würden. Doch hielt ihn das nicht davon ab, jeden morschen Baumstumpf zu attackieren, in der Hoffnung, irgendein seltenes Tier aus seinem Innern herauszuholen. Es ärgert mich immer wieder, von dem gefährlichen tropischen Urwald zu hören oder zu lesen, in dem es angeblich von wilden Tieren nur so wimmelt. Zum einen ist der tropische Urwald nicht gefährlicher als der Schwarzwald im Hochsommer, und zum andern wimmelt es dort nicht von wilden Tieren, derart, daß hinter jedem Busch eine wütende Bestie sitzt, die darauf wartet, einen anzuspringen. Natürlich gibt es Tiere. Doch gehen sie dem Menschen vernünftigerweise aus dem Wege. Ich möchte denjenigen sehen, der nach einem Marsch durch den Wald nach Eshobi für die »wilden Tiere«, die ihm begegnet sind, alle seine Finger zum Abzählen braucht. Wie schön wäre es für mich, wenn diese Märchen wahr wären. Wie schön wäre es, wenn jeder Busch einen »wilden Bewohner des Waldes« beherbergte, der darauf wartet, einen anzuspringen. Die Arbeit eines Tierfängers wäre viel leichter.
    Die einzigen wilden Lebewesen entlang des Eshobi-Pfades waren Schmetterlinge, und auch sie zeigten keine Lust, uns anzugreifen. Am Boden jeder kleinen Talsohle, in die der Pfad eintauchte, befand sich ein winziges Flüßchen. Auf den feuchten, schattigen Ufern entlang dem klaren Wasser saßen diese Schmetterlinge in Scharen. Von weitem schien das Flußufer zu opalisieren, die Farben wechselten von
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