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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
Autoren: Don Winslow
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Gegner mit dem Handballen auf die Nase zu hauen. Aber was wäre, wenn’s nicht klappte?
    Also tat Neal das einzige, was ihm unter diesen Umständen übrig blieb. Er hielt die Klappe. Nach ein paar langen Sekunden ließ Ed ihn los und ging weg. Graham starrte Neal an und hetzte dann hinter Ed her.
    Neal lehnte sich gegen die Schließfächer und rang nach Luft. Dann rief er hinter Levine her: »Okay, Ed! Und wie geht’s dem Frauchen?«
    Er beobachtete, wie Graham Levine durch die Tür bugsierte. Neal fand diesen Scheiß immer langweiliger.
     
     
4
     
    Ethan Kitteredge sah mit seinen vierzig Jahren nicht so alt aus, wie Neal befürchtet hatte. Eine Strähne aschblondes Haar fiel über seine Stirn und eines der blaßblauen Augen, die durch eine randlose Brille schauten. Neal schätzte ihn auf ungefähr einssiebzig und fünfundachtzig Kilo. Der Körper in den grauen Banker-Klamotten war gut in Schuß: Tennis oder Handball.
    Neal hörte auf, Sherlock Holmes zu spielen, als der Chef ihm lächelnd seine Hand entgegenstreckte.
    »Sie müssen Mr. Carey sein«, sagte er. Sein Händedruck war fest und schnell: Er mußte nichts beweisen.
    »Und Sie sind Mr. Kitteredge.« Witzig, Neal, wirklich witzig, dachte er. Ein prächtiger erster Eindruck.
    »Ich habe viel von Ihnen gehört«, sagte Kitteredge. »Wie geht es Ihrem Studium?«
    »Ich schwänze gerade eine Prüfung. Davon abgesehen geht es prima, danke.«
    Graham hatte etwas Hochinteressantes auf dem Teppichboden entdeckt und starrte es an. Levine betrachtete Neal und schüttelte den Kopf.
    »Ach ja, ich habe mit Professor Boskin darüber geplaudert«, sagte Kitteredge. Wenn er sich ärgerte, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. »Er murmelte etwas davon, Ihnen ein ›teilgenommen‹ in seinem Kurs zu geben.«
    »Vielen Dank, Mr. Kitteredge, aber ich bringe das, was ich angefangen habe, auch gern zu Ende.«
    »Wie Sie wollen. Meine Herren, setzen Sie sich bitte. Kaffee, Tee?«
    Drei Holzstühle waren im Halbkreis vor Kitteredges Schreibtisch aufgestellt worden. Levine setzte sich nach rechts, Graham nach links. Neal entschied sich für den verbleibenden Stuhl. Immer mittendrin.
    Kitteredge ging zu einem silbernen Serviertischchen herüber. Neal fiel auf, daß er sich linkisch bewegte – das Ergebnis von vielen Generationen New England. Die ruckartigen Zuckungen deuteten darauf hin, daß jede Bewegung nur ein notwendiges Übel war. Der wahre Wert lag in der Ruhe. Trotzdem brachte er es fertig, vier Tassen Kaffee einzuschenken und auszuteilen.
    Das dauerte jedoch eine Weile, und Neal nutzte diese Pause, um sich umzusehen. Bank pur, Kitteredge pur. Das 20. Jahrhundert hatte hier noch nicht Fuß fassen können. Die Sonne sandte ein weiches, warmes Gelb in einen Raum, der von Mahagoni und Eiche geprägt wurde. Glasgeschützte Bücherregale an den Wänden beherbergten ledergebundene Ausgaben von Dickens, Emerson, Thoreau und natürlich Melville. Navigation von Bowditch stand an prominenter Stelle, eingerahmt von einigen obskuren Walfänger-Memoiren und Segler-Abenteuern. Holzmodelle alter chinesischer Clipper vervollständigten das Dekor. Diese Schiffe hatten den Tee, die Gewehre, das Opium und die Sklaven der Kitteredges transportiert. Neal stellte sich vor, daß der Profit dieser Fahrten immer noch tief unter ihnen in einem Tresor lagerte.
    Nur ein modernes Stück hatte eindringen dürfen. Ein exquisites Miniaturmodell der Haridan zierte, auf einen Eichenfuß montiert, Ethans Schreibtisch. Begabte Handwerker hatten die klaren, schlanken Linien des Bootes nachgebildet. Für Ethan Kitteredge, den verantwortungsvollen Banker, den verantwortungsvollen Ehemann, den verantwortungsvollen Vater bedeutete die Haridan seltene, wertvolle Augenblicke absoluter Freiheit.
    Nachdem er den Kaffee endlich serviert hatte, ließ sich Kitteredge hinter seinem Schreibtisch nieder und nahm eine Akte aus der Schublade. Er betrachtete sie einen Augenblick, schüttelte den Kopf und reichte sie Neal. Dann lehnte er sich zurück und verschränkte die Finger.
    Kitteredge sprach so, wie er ging. »Einige… äh… alte Freunde der Familie… haben ein kleines… Problem, und wir haben… angeboten…. ihnen bei einer Lösung… behilflich zu sein.«
    Er schwieg einen Augenblick, um Neal Gelegenheit zu geben, den Ordner aufzuschlagen.
    »Senator John Chase stammt aus einer prominenten Familie von Rhode Island«, sagte Kitteredge. »Sein Familienname war zweifellos eine große Hilfe… bei seiner
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