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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
Autoren: Don Winslow
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angehoben, wo ihn ein General von Rhode Island zum Tode verurteilt hatte. »Was für ein Unfug«, grummelte Joshuas Vater bei der Trauerfeier, »diesen Befehl hätte auch einer aus Massachusetts geben können« – einem Staat, der bekannt war für seine grundlose Feindschaft den Leuten von Rhode Island gegenüber.
    In den ruhigen Jahren zwischen dem Ende des Bürgerkrieges und dem Untergang der Lusitania gedieh die Bank prächtig. Die Gaslampen wurden durch Elektroleuchten ersetzt, Gasöfen wurden von Kohleöfen abgelöst, aber das alte Steinhaus selbst veränderte sich nicht. »Eine Bank ist nicht aus Plastik, Glas und Stahl«, donnerte einer der Kitteredges 1962 in einem unseligen Board-Meeting, wo ein Dummkopf einen »neuen Look« vorgeschlagen hatte. »Eine Bank ist Stein, Messing und Hartholz. Die Leute sollen ihr Geld hier lassen.«
    Das Leben der Kitteredges war so konservativ wie das Gebäude. »Betreibt das Geschäft hinter den Schaltern und nicht in den Klatschspalten«, war das Familienmotto. Keine Villen in Newport, keine Bälle für die Kitteredges. Ihre großen Häuser versteckten sie in Narragansett oder den Lincoln-Wäldern, und natürlich wurde das Stammhaus der Familie auf dem College Hill stets bewohnt und sorgfältig instand gehalten. Die Kitteredge-Kinder besuchten die Brown University (Yale: zu progressiv, Harvard: zu protzig, Princeton: in New Jersey), segelten mit ihren Booten in einer Bucht in Wickford umher, heirateten Mädchen aus New Hampshire und Vermont und tranken abends Whiskey auf ihren Zimmern.
    Der 8. Juli 1913 ist ein wichtiges Datum für Neal Carey und Joe Graham. An jenem Tag schlug ein gewisser William Kitteredge, der etwa die Hälfte der familienüblichen zwanzig bis dreißig Jahre als Vizepräsident von irgendwas abgesessen hatte, das Oberhaupt einer anderen Familie ausgesprochen leicht in ihrem wöchentlichen Tennismatch. Der Besiegte, dessen Familie eine ganze Menge Geld auf der Bank hatte, gestand Bill, daß seine über alles geliebte jüngste Tochter sich mit einem Italiener auf und davon gemacht hatte. Diese Enthüllung rührte Bill, der befand, man müßte etwas tun – still und leise.
    An jenem Abend besprach sich Bill mit Jack Quinn, einem Hausmeister der Bank, dessen Sohn Jack Junior ein vielversprechender Boxer war. Der Junge war gern bereit, dem Banker einen Gefallen zu tun, machte das Paar ausfindig, wechselte ein paar freundliche, aber bestimmte Worte mit dem nicht mehr ganz so leidenschaftlichen Gatten und lieferte das Mädchen bei Bill ab. Bill brachte das Mädchen zurück, wurde mit Dank überhäuft und vergaß den Vorfall, bis er am Montagmorgen um sieben Uhr ins Büro gerufen wurde.
    »Ich habe gehört, du hast eine junge Dame aus den Klauen mediterraner Einwanderer befreit«, sagte sein Vater.
    »Ja.«
    »Willst du damit weitermachen?«
    »Vielleicht.«
    »Dann solltest du dich organisieren.«
    Der alte Mann fand, daß ein solches Vorgehen durchaus Sinn mache, habe sich die Welt doch verändert, und nicht zum Besten. Die Bank halte nicht viel von Skandalen, und mehr und mehr ihrer Stammkunden schienen dieser Tage in den Klatschspalten aufzutauchen. »Wir sind alte Freunde dieser Familien, und es ist in unserem Sinne, daß es ihnen gut geht. Auf lange Sicht dürfte es billiger sein, einige ihrer kleinen Probleme selbst zu lösen.«
    Also wurde Bill befördert und bekam ein Budget mit dem Auftrag, eine kleine Agentur innerhalb der Bank einzurichten, die sich jener Probleme der guten alten Freunde der Familie annehmen sollte, die man nicht dem langen Arm des Gesetzes oder der schmierigen Presse überlassen konnte. Diese Agentur existierte natürlich niemals offiziell, und an der Tür von Raum 211 klebte auch kein Schild mit der Aufschrift FREUNDE DER FAMILIE, wenngleich sie so genannt wurde. Es sprach sich ziemlich schnell in New England herum, daß man, wollte man etwas still und leise erledigt haben, nur Bill oder jemandem in der Bank Bescheid sagen mußte. In dem alten Steinhaus arbeiteten Freunde.
    Als nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr wichtige Geschäftsleute nach New York abwanderten und die Freunde der Familie immer öfter ihre Probleme mit den Würmern im Big Apple hatten, richtete man 1960 eine kleine Zweigstelle in Manhattan ein. Nur wenig später engagierten die Freunde der Familie einen unflätigen, einarmigen, großkotzigen Privatschnüffler namens Joe Graham. Bei einem seiner ersten Aufträge saß dieser Graham in einer stillen Bar in der
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