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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
Autoren: Don Winslow
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Wettrennen einzuholen. Baseball ist ein Sport für Zuschauer; Diebstahl einer für Aktive. Er brauchte ungefähr anderthalb Sekunden, um das alles zu überdenken, und rannte dann, so schnell er konnte, zur Tür.
    Graham hatte zwar nicht gemerkt, daß sein Portemonnaie geklaut worden war. Aber er merkte sehr wohl, daß es nicht mehr da steckte, wo es gesteckt hatte. Joe Graham hatte nie sonderlich viel Geld gehabt, aber er wußte immer, wo sein Geld war – oder nicht war. Er drehte sich um und sah gerade noch, wie ein Kind zur Tür hinausschlüpfte.
    Graham machte sich nicht die Mühe, sein Schicksal zu beklagen. Die, die erst noch meckern – »Dieser kleine Bastard hat sich mein Portemonnaie geschnappt!« –, begehen einen schweren Fehler. Er rannte einfach hinter dem Jungen her. Er wollte sein Geld wiederhaben und den Dieb bestrafen.
    Neal flitzte nach rechts die Amsterdam Avenue hoch, bog dann links in die 81. Straße ein, wandte sich nach einem halben Block nach rechts, gleich darauf nach links und erreichte das Gäßchen, in dem ein Maschendrahtzaun und eine nicht abgeschlossene Kellertür Sicherheit versprachen. Er knallte volle Kanne gegen den Zaun, rammte die Spitzen seiner Schuhe hinein und zerrte sich mit den Armen hoch. Neal wußte noch aus den Tagen, in denen er sich mit den Nachbarsjungen gemessen hatte, daß er schneller als irgend jemand sonst über einen Zaun klettern konnte. Er wußte, daß einer hinter ihm her war, aber er wußte auch, daß er bereits die Fünfer und die Zehner im kühlen Keller zählen würde, wenn dieser Fettsack den Zaun erreicht hätte. Genau daran dachte er, als ihn etwas Hartes auf Höhe seiner Nieren traf. Er plumpste vom Zaun und schnappte nach Luft, bevor ihm schwarz vor Augen wurde.
    Graham hatte sofort erkannt, daß der Junge wesentlich schneller rennen konnte als er. Er hatte keine Chance, ihn zu erwischen. Sein schönes sauberes Hemd war schweißnaß, und die vier Bier schwappten in seinem Magen wüst auf und ab. Ihm war klar: Wenn der Junge über den Zaun kletterte, würde er sein Geld nie Wiedersehen. Also packte er seinen künstlichen rechten Arm, ein schweres Gerät aus Hartgummi und riß ihn runter. Mit aller Kraft seines durchtrainierten linken Armes warf er das Ding nach dem Dieb.
    Als Neal wieder zu sich kam, wurde er von einem gemeinen kleinen Kobold angeglotzt – einem einarmigen Zwerg.
    »Das Leben ist ganz schöne Scheiße, was?« sagte der Mann. »Du glaubst, du hast dir gerade ein paar Mäuse unter den Nagel gerissen, du bist schon fast über den Zaun, und da nimmt so ein Typ seinen Arm ab und erledigt dich damit.«
    Er packte Neal am T-Shirt und zerrte ihn auf die Beine.
    »Komm, gehen wir zu McKeegan. Mein Bier wird warm.«
    Er schob Neal vor sich her zu Meg’s. Niemand auf der Straße schien das irgendwie ungewöhnlich zu finden. Graham knallte Neal auf den Barhocker neben sich. Neal beobachtete fasziniert und voller Angst, wie Graham seinen Arm wieder anschnallte und den Hemdsärmel darüberrollte.
    »Neal, du kleiner Scheißer«, sagte McKeegan.
    »Sie kennen ihn?« fragte Graham.
    »Er lebt hier in der Gegend. Seine Mutter hängt an der Nadel.«
    »Dein Glück, daß du keine Zeit hattest, was davon auszugeben«, sagte Graham. Dann verpaßte er Neal eine Ohrfeige.
    »Soll ich die Polizei rufen?« fragte McKeegan und langte nach dem Telefonhörer.
    »Wozu?«
    Neal war klug genug, den Mund zu halten. Es machte keinen Sinn, das Offensichtliche abzustreiten. Außerdem war er demoralisiert, weil er sich von einem Einarmigen hatte schnappen lassen. Das Leben ist wirklich ganz schön Scheiße, dachte er.
    »Machst du das oft? Was klauen?« fragte Graham.
    »Erst seit Freitag.«
    »Was war am Freitag?«
    »Ich hab mich auf dem Markt umgesehen.«
    »Du hast ‘ne ganz schön große Klappe für einen Dieb, den man so leicht erwischen kann. Wenn ich du wäre, würde ich an meiner Technik arbeiten und Jackie Gleason das Witzereißen überlassen.«
    Graham starrte den Jungen finster an. Er hätte nicht übel Lust, doch noch die Bullen zu rufen und den Burschen in den Kinderknast stecken zu lassen. Aber ein wesentlich jüngerer Joe Graham hatte mehr als eine Mahlzeit mit Geld aus den Taschen anderer Leute finanziert. Und man konnte nie wissen, wozu ein pfiffiger Junge nütze sein würde.
    »Wie heißt du?«
    »Neal.«
    »Bist du ein Rockstar, oder hast du auch noch einen Nachnamen, Neal?«
    »Carey.«
    »McKeegan, was halten Sie davon, Neal Carey einen
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