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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition)
Autoren: Liz Kessler
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verstummt.
    Ich sehe mich um. Was kann schon passieren? Ich ziehe die schwere Metalltür auf. Dahinter ist noch eine Tür, auch aus Metall. Ein Scherengitter aus Messing.
    Ich ziehe es zur Seite und steige in den Fahrstuhl ein. Er ist so alt und klapprig, dass ich nicht eine Minute lang glaube, er könnte funktionieren. Was ist, wenn ich einsteige und er mit mir zusammen meterweit in die Tiefe stürzt?
    Ich muss über mich lachen. Manchmal geht meine Phantasie wirklich mit mir durch. Er stürzt nirgendwo hin. Außerdem sieht es nicht so aus, als ob der neue Aufzug kommt – und dieses alte Ding hat mich schon immer fasziniert.
    Es gibt vier schwarze Knöpfe an der Wand: 3, 2, 1 und EG . Unter den Knöpfen ist ein Stück Sperrholz an die Wand genagelt; darüber ist ein leuchtend roter Knopf, neben dem ALARM steht. Dann noch ein Schild, auf dem steht: Bitte bei Verlassen des Fahrstuhls beide Türen schließen. Danke.
    Ich ziehe die äußere Tür zu; dann schiebe ich das Gitter zu. Es wird dunkel bis auf einen kleinen Lichtstreifen, der durch das vergitterte Fenster der äußeren Tür hereinfällt.
    In so einem altmodischen Fahrstuhl war ich noch nie. Ich komme mir vor wie in einem alten Agentenfilm. Vielleicht können Juli und ich eine Geschichte darüber erfinden. Ich setze das auf meine innere Merkliste von Sachen, über die ich mit ihr reden will.
    Und dann drücke ich auf den Knopf für den ersten Stock.
    Einen Moment lang passiert gar nichts. Ich warte in dem düsteren Kabuff; ein kleiner Angstkloß fängt in meinem Bauch zu rumoren an. Warum bin ich nicht zum Treppenhaus gegangen?
    Und dann bewegt er sich. Klappernd legt er los und fährt ratternd und mit Gescharre und Gerumpel nach oben in die nächste Etage. Mit einem gigantischen RUMS , das meine Zähne aufeinanderschlagen lässt, ruckelt er und bleibt stehen.
    Ich wuchte die Türen auf und trete aus dem Fahrstuhl.
    Julis Apartment ist ganz am Ende des Korridors. Ich mache unser spezielles Klopfzeichen. Tap tappeditapptapp , Pause, tapp-tapp .
    Nichts.
    Ich klopfe noch mal und spähe aus dem Flurfenster zum Parkplatz. Drei Autos stehen unten, aber nicht das von Julis Eltern. Einen roten Porsche übersieht man ja nicht so leicht. Wo sind sie? Ich poltere ein letztes Mal laut an die Tür, dann gebe ich auf und wende mich ab.
    Diesmal laufe ich die Treppe hinunter und verlasse das Apartmenthaus zu Fuß. Eine Sekunde lang meine ich, Julis Stimme zu erkennen und bleibe stehen und lausche, aber ich höre sie nicht noch mal. Vielleicht machen sie einen Spaziergang.
    Ich versuche es an unserer Stelle am See, aber da sind andere Leute. Eine Gruppe kleiner Kinder und zwei Elternpaare. Das ist doch unser Platz! Aber ich will es ihnen nicht unter die Nase reiben. Schließlich gibt es kein Gesetz, das anderen verbietet, dorthin zu gehen!
    Die Bucht sieht größer aus als gestern. Sie ist viel breiter, ein richtiger Strand aus grauen und weißen Kieseln umspannt den See. Seltsam.
    Vielleicht ist Juli am Wehr. Ich renne hin und rufe nach ihr. Zwei Jungs im Teenager-Alter treiben sich auf den Felsen herum. Sie scheinen versuchen zu wollen, das Wehr zu überqueren. Die müssen ja verrückt sein! Das Wasser steht so hoch, dass sie sich bestimmt umbringen werden. Ich gehe langsam näher heran. Da sehe ich etwas wirklich Seltsames. Das Stauwasser stürzt und rauscht nicht mehr über das Wehr wie die Niagarafälle. Es ist eher wie ein kleiner Bach, träge und seicht tröpfelt es über die lange Staumauer im Fluss.
    Wie ist das möglich? Ich nehme mal an, es hat über Nacht nicht geregnet. Aber kann das so viel ausmachen?
    Auf meinem Weg zurück zu unserem Apartment schaue ich kurz in das Freizeitzentrum rein. Vielleicht sind Juli und ihre Eltern schwimmen gegangen. Natürlich – da werden sie sein. Da müssen sie sein, vor allem, weil wir ja erst für den Nachmittag Pläne hatten. Keiner in ihrer Familie kann länger als eine halbe Minute still sitzen.
    Aber sie sind nicht da. Dann sind sie wohl doch spazieren gegangen oder so.
    Ohne mir was davon zu sagen?
    Ich beschließe, es noch ein letztes Mal im Apartment zu versuchen. Mein Frust hat mir anscheinend einen Energieschub gegeben. Ich bin schon am Ende des Gebäudes, renne daher die Treppe hinauf und laufe den Gang zu ihrem Apartment entlang.
    Tap tappeditapptapp. Tapp-tapp.
    Komm schon, Juli. Sei da. Ich will noch nicht nach Hause.
    Hinter der Tür ist ein Geräusch zu hören. »Wer ist da?«, ruft eine Stimme. Eine fremde
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