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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
Autoren: Martina Nohl
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Mutter
herunterzustoßen. Mit rotem Kopf tauchte sie unter den Tisch, legte die Stifte
sorgfältig wieder auf ihren Platz zurück und ihr Blick fiel direkt auf eine
perfekte Brustwarze, die dem eingeschlafenen Baby seitlich aus dem Mund
gerutscht war. Ihre Gesichtsfarbe wurde gefühlt noch drei Nuancen dunkler und
schnell wandte sie sich wieder der professionellen Stimme von Frau Engels zu.
     
    Nach ihrer ersten Vorlesung, nun doch von so viel Bildung
ganz hungrig geworden, radelte sie mit den anderen Studierenden zu der Mensa im
Marstall. Das passt doch, damals wurden hier die Pferde gespeist, hatte sie
gelesen, heute die Studierenden. Das Angebot war erstaunlich vielfältig, das
Gemüse sah lecker aus, gar nicht verkocht. Sie schaute sich suchend nach einem
bekannten Gesicht aus der Vorlesung um. Die Frau mit dem langen Zopf war
bereits ins Gespräch vertieft mit einem sehr würdevoll aussehenden Mann, der
sicher wissenschaftlicher Mitarbeiter oder mindestens Doktorand sein musste,
die beiden wollte sie natürlich nicht stören. Vorne am Fenster saß der ältlich
wirkende Mann, und da sie niemanden mehr entdecken konnte, warf sie ihre
Vorbehalte über Bord. „Ist bei Ihnen noch ein Platz frei?“ Mist, jetzt hatte
Sie ihn aus Versehen gesiezt, alte Angewohnheit aus dem Laden.
    Er verschluckte sich gründlich und stammelte unter Husten:
„Nehmen Sie doch bitte Platz.“
    Sie grinste ihn an. „Auch wenn wir hier die Oldies sind,
wollen wir uns vielleicht doch duzen?“
    Jetzt wurde er auch noch rot. „Gerne, ich heiße Gabriel“
    „Angenehm, ich bin Emily.“
    „Du bist aber nicht von hier, das hört man.“
    „Nein, nein, ich komme ursprünglich aus Hamburg und bin
gerade erst hergezogen.“
    „Freiwillig aus Hamburg nach Heidelberg?“ Er hörte sich
schon an wie ihre Eltern.
      „Was hat dich in ein
Soziologiestudium verschlagen, Gabriel?“, fragte sie dann doch
irgendwann neugierig.
    „Tja, eigentlich habe ich Theologie studiert, war dann auch
im Vikariat und habe festgestellt, dass es nicht so mein Ding ist, direkt mit
Menschen zu arbeiten.“
    Er schaute sie mit warmen Augen an, die eine Art Grünstich
und goldene Pünktchen auf der Pupille hatten. Sie konnte ihn sich eigentlich
gut als Pfarrer vorstellen. Manchmal kniff er das rechte Auge zusammen,
vermutlich war er kurzsichtig.
    Gabriel erzählte, Emily aß, so verging die Zeit. Nach einem
Blick auf die Uhr, merkte Emily, dass sie längst schon überfällig für das
nächste Erstsemesterseminar war. „Ich muss los, wir sehen uns bestimmt wieder,
spätestens nächsten Dienstag, mach’s gut, Gabriel“, sagte sie hastig und
bemerkte irritiert wie ihr Gabriels neugierig-sehnsüchtiger Blick folgte.
     
    Wieder und wieder versuchte sie die ersten Absätze ihres
Soziologie-Einführungsbuchs zu lesen, aber dann gab sie auf. Sie war heute
einfach nicht bei der Sache. Ihre Gedanken schweiften schon wieder zu dem
attraktiven Mann mit den schwarzen Locken. Sie stöhnte, nein, Emily, du hast
jetzt keine Zeit zum Verlieben. Du bist ja schon so ausgehungert wie der
komische Gabriel. Sie erstarrte innerlich: War sie wirklich schon verliebt,
verliebt in einen Unbekannten? Nein, beruhigte sie sich, höchstens eine kleine
Schwärmerei. Das kannte sie schon von sich aus anderen Zeiten. Immer, wenn sie
keinen Freund hatte, begann sie zu schwärmen, wie ein Nachtfalter, der immer
wieder gegen eine helle Lampe flog und dabei seinen Flügelstaub verlor, so dass
er zunehmend ins Taumeln geriet. Nein, noch konnte sie sich zurückpfeifen aus
diesen Träumereien, die zu nichts führten, und sich auf die wichtigen Dinge des
Lebens konzentrieren. Erneut las sie drei Absätze, ohne dass irgendein Wort
oder gar eine Satz eine bleibende Spur in ihrem Gedächtnis zurückließen.
    Erbost klappte sie das Buch zu. Dann eben nicht! Dann würde
sie jetzt in die Stadt gehen und sich einen Job suchen, das war auch wichtig in
ihrer angespannten finanziellen Situation. Sie schlüpfte in ihre Mokassins,
warf sich die leichte, grasgrüne Jacke über die Schultern und wand sich den
obligatorischen Strickschal ein paarmal um denHals. Als sie über den Marktplatz
ging, sah sie, dass sich zu einer Stadtführung einige Personen an dem zentralen
Brunnen versammelt hatten. Ein junger, hochgewachsener Mann in einer alten
weinrot-schwarzen Tracht, die aussah wie die eines wohlhabenden Bürgers aus dem
17. Jahrhundert, sammelte Geld ein. Sollte Sie? Warum eigentlich nicht. Der Tag
heute war
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