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Ein Jahr – ein Leben

Ein Jahr – ein Leben

Titel: Ein Jahr – ein Leben
Autoren: Iris Berben , Christoph Amend
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verwerfen zu können. So wie das beim Theater noch häufiger der Fall ist, aber auch da wird ja gekürzt.
    Bei großen Produktionen gibt es weniger Geld und damit weniger Drehtage als früher.
    Das geschieht bei fast allen Produktionen. Dafür gibt es mehr Bedenkenträger als früher. Das betrifft das Kino, aber auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, die, wenn sie wollten, viele Möglichkeiten hätten. Aber diese Sender sind heute so stark an Einschaltquoten orientiert, dass sie sich davon offenbar nicht mehr freimachen können, selbst wenn es um Qualitätsfilme geht. Man kommt mit einem unkalkulierbaren oder spröden Stoff zu ihnen, und schon heißt es: Nischenfilm. Auch im Kino wird es immer enger. Die Arthouse-Filme haben einen ganz schweren Stand, die großen Ketten geben das Programm vor.
    Sie stehen also vor dem Dilemma, immer anspruchsvollere Filme machen zu wollen in einer Zeit, in der das Geld dafür immer knapper wird.
    Das geht vielen so. Es gibt dadurch natürlich auch Chancen, nach neuen kreativen Wegen zu suchen. Aber es ist schon so, wie Sie gerade angedeutet haben, dass die Sender sagen, die bringt ja Quote. Und das erweitert manchmal den Spielraum. Aber selbst bei mir heißt es oft, wenn es um neue Stoffe geht: Es hat doch immer funktioniert, warum sollten wir es jetzt anders machen? Ich erlebe in solchen Gesprächen erstaunlich wenig Risikofreude. Es ist kaum Wahnsinn und Wagnis da, aber das gehört doch dazu! Ich bin nicht weltfremd, ich weiß, dass überall viele Gelder drinstecken, aber es ist doch auch ein bequemes Produzieren, was unsere Fernsehsender haben.
    Warum bequem?
    Es stehen viele Gebührengelder und viel Sendezeit zur Verfügung. Gut, es heißt dann gerne, wir haben doch »Arte«, wir haben »3Sat«, aber da ist man natürlich wieder in der Nische, von der wir gerade sprachen. Das ist eine allgemeine internationale Entwicklung, und wir in Deutschland sind da im Verhältnis zu anderen Ländern noch gut dran, das ist mir wohlbewusst. Wir haben immer noch das beste Fernsehen europaweit.
    Frau Berben, in Ihrer Dankesrede beim Bayerischen Filmpreis haben Sie auf der Bühne laut gefragt: »Wo bin ich?«. Jetzt, im Oktober 2011 : Wo sind Sie?
    (zögert) Ich bin in Unruhe mit mir selber, mal wieder. Und ich überlege in solchen Situationen: Hat das mit einer äußeren Welt-Unruhe zu tun, die gerade herrscht?
    Sie meinen die Finanzkrise, die Eurokrise, die …
    … Unruhen überall auf der Welt. Hat man dafür auch offene Poren? Hoffentlich hat man die. Hat das eigene Unbehagen, die eigene Suche auch damit zu tun? Wir sind ja immer schnell damit, auch in den Medien, Entwicklungen oder Neuerungen sofort zu bewerten. Wenn ich an all die Veränderungen im Nahen Osten denke, an das, was man »Arabischer Frühling« genannt hat, die anfangs nur mit Euphorie begleitet wurden, dann denke ich oft: Ja, es ist natürlich ein Fortschritt, dass man sich aus Diktaturen lösen kann, aber es braucht Zeit und Geduld für so einen Prozess. Für die, die in ihm stecken, und für die, die ihn beurteilen. Man kann nicht einfach einen Hebel umlegen. Oft sieht sich der Westen in der Rolle des Heilsbringers, das ist schon auch sehr arrogant.
    Muammar Gaddafi ist vor wenigen Tagen erschossen worden, wie es weitergeht in Libyen ist ungewiss …
    … oder die Militärregierung in Kairo. Wir sind so veranlagt, glauben zu wollen: Das Böse endet, das Gute fängt an. Und, ja, wir stecken in einer heftigen Wirtschaftskrise. Es ist alles viel komplexer geworden. Für alle, für die Experten ebenso wie für uns.
    Sie haben die äußeren Gründe für Ihre Unruhe beschrieben. Was ist mit den inneren?
    Ich frage mich ganz grundsätzlich: Was will ich machen? Manchmal denke ich dann, ich rette mich in meine Filme. Die Dreharbeiten können ein ganz wunderbares Korsett sein, das einem viele Entscheidungen abnimmt.
    Sie drehen gerade einen Fernsehfilm.
    Ja, und es gibt konkrete Pläne und Anfragen bis weit ins nächste und übernächste Jahr. Ich selektiere natürlich, überlege lange, was ich drehe und was lieber nicht. Ich könnte noch viel genauer sein beim Selektieren, tue es aber nicht, weil ich merke, ich brauche dieses Korsett, um meine Unruhe zu beruhigen.
    Drehen beruhigt.
    Ja. Drehen ist eine Ordnung für mich, der ich mich für sechs, acht, manchmal zwölf Wochen unterwerfe. Die Regeln sind geschrieben, und jeder weiß, dass die Ordnung nur aufrechterhalten werden kann, wenn jeder funktioniert. Ich denke ab und
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