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Ein Herzschlag danach

Ein Herzschlag danach

Titel: Ein Herzschlag danach
Autoren: Sarah Alderson
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Meter entfernt die Wasseroberfläche sehen. Aber vom Schlaf zerwühltes Haar und ein zerknittertes T-Shirt waren nicht gerade das, was man für einen umwerfenden Auftritt brauchte, und mit diesem Gedanken siegte meine Eitelkeit. Ein paar Minuten Wartezeit würden mich schon nicht umbringen, während es mein absolutes und sofortiges Ende bedeutete, wenn mich Alex in diesem Zustand zu sehen bekäme.
    Doch was sollte ich anziehen? Ich war in Panik aufgebrochen, ohne groß nachzudenken, und hatte nun folglich eine höchst zufällige Auswahl von Klamotten zur Verfügung. Immerhin war für jede Gelegenheit etwas dabei, vom Skifahren mal abgesehen. Ich zog ein leuchtend blaues Seidenkleid hervor. Keine Ahnung, welches Szenario sich ergeben musste, damit dieses Ding zum Einsatz kam, aber man konnte ja nie wissen. Dann entdeckte ich eine Bluse, die zu meiner Schuluniform gehörte, knüllte sie zusammen und feuerte sie in den Papierkorb. Ich brauchte wirklich nicht daran erinnert werden, wo ich mich in diesem Augenblick eigentlich befinden sollte. Schließlich wählte ich eine Jeans, zog das T-Shirt aus und schlüpfte in ein lila Top.
    Dann betrachtete ich mich im Spiegel über der Kommode. Meine Haare standen in alle Richtungen vom Kopf ab. Sie waren noch feucht gewesen, als ich ins Bett gefallen war, deshalb hätte ich jetzt problemlos als eine blonde Alice Cooper durchgehen können. Um es einigermaßen glatt zu bekommen, musste ich die verfilzten Haarenden kräftig ausbürsten.
    Ich beugte mich vor und betrachtete mein Gesicht aus größerer Nähe. Normalerweise machte ich mir nichts aus Make-up, aber an diesem Abend musste ich gewisse Leute beeindrucken – ein bisschen Mascara, vielleicht auch ein wenig Lipgloss? Rouge brauchte ich auf keinen Fall, das stand fest. Ich blickte mich nach meiner Make-up-Tasche um, konnte sie jedoch nirgends finden.
    Super!, stöhnte ich innerlich, einfach su-per . Am einzigen Tag des Jahres, an dem alles darauf ankam, umwerfend und vielleicht auch ein wenig älter auszusehen, hatte ich meine Make-up-Tasche in achttausend Kilometern Entfernung deponiert. Eine wahre Spitzenleistung.
    In wachsender Panik unterzog ich mein Spiegelbild einer genaueren Prüfung. Hatte ich noch vor ein paar Stunden wie eine Halbleiche ausgesehen, so sah ich jetzt sehr, sehr lebendig aus. Fast zu lebendig – als wäre ich high. Was ja in gewisser Weise auch stimmte. Aber dagegen konnte ich jetzt nicht viel tun. Ich bürstete das Haar hinter die Ohren und biss mir kräftig auf die Lippen, damit sie ein bisschen röter wurden und die Aufmerksamkeit von meinen glühenden Wangen ablenkten.
    Tief durchatmen, Lila. Und gleich noch einmal. Du schaffst es.
    Ich schaffte es bis zur Treppe. Dort krallte sich meine Hand ins Geländer. Wie kam es nur, dass ich zwar alle möglichen unbelebten Gegenstände mit reiner Willenskraft bewegen konnte, meine eigenen Gliedmaßen mir aber nicht gehorchen wollten? Ich nahm die erste Stufe in Angriff – sie knarrte und die Stimmen in der Küche verstummten schlagartig. Da stand ich nun und kam mir wie eine Schauspielerin vor, die auf die Bühne stolpert, ohne ihre Rolle zu kennen oder auch nur das Stück gelesen zu haben. In der Küche scharrten Stühle über den Fußboden. Ich beeilte mich, um als Erste im Flur anzukommen, und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Schon tauchte rechts neben der Treppe Alex’ Kopf auf. Mir stockte der Atem und mein Herz klopfte wie wild. Das führte dazu, dass ich die vorletzte Stufe verpasste und stolperte. In dem Sekundenbruchteil, bevor ich gegen die Wand krachte, dachte ich noch, dass dieses Wiedersehen nicht unbedingt dem Drehbuch folgte, das ich mir in meiner Fantasie in jeder wachen Minute zusammengeschrieben hatte.
    Unwillkürlich schloss ich die Augen und wappnete mich gegen den Aufprall. Ich krachte gegen etwas Festes, Hartes, aber es war keine Wand. Vorsichtig öffnete ich ein Auge. Alex hatte mich aufgefangen, an den Oberarmen gepackt und hielt mich fest. Sollte ich meine Hände zurückziehen? Sie wollten mir nicht gehorchen. Da war er nun, zum Greifen nah. Seit einer Ewigkeit hatte ich genau davon geträumt (nur hatten wir in meinen Träumen weniger Kleider an …). Ich spürte seine Muskeln und sie wurden meinen Fantasien gerecht. Am liebsten hätte ich den Kopf gegen seine Brust gelegt und ewig dort ruhen gelassen. Leider bemerkte ich Jack aus den Augenwinkeln. Weil ich nicht wollte, dass er meinen Ausdruck äußerster Verzückung zu
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