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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
Autoren: Trevanian
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Françoise hatte etwas sehr Zerbrechliches. Irgendwas in ihr war zerbrochen. Und wenn es weh tat, hat sie nicht geschrien – sie hat gelacht. Aber wer Augen hatte zu sehen, der sah den Schmerz. Ich glaube, deshalb hat sie sich am Ende auch umgebracht.
    Und die Männer, Claude! Die Männer, die sie benutzten wie eine öffentliche Bedürfnisanstalt! Die Männer, für die sie nichts anderes war als was zum Reiben, zum Heißwerden und zum Abspritzen! Keiner machte sich die Mühe, ihren Schmerz zu erkennen. Jeder hat sie immer nur benutzt. Die standen ja Schlange. So als ob sie … in einer Sonderbaracke wäre. Die haben sich gegen die Liebe versündigt, diese Männer. Die Gesellschaft hat keine Gesetze, die die Sünde wider die Liebe bestrafen. Die Gerechtigkeit schreit auf dagegen, doch die Gesetze bleiben stumm.«
    »Sprichst du jetzt über die Mutter oder über die Tochter?«
    »Was? Was? Über beide, meine ich. Ja … über beide.«
    »Du sagtest, du hättest mit … Françoise durch Zufall geschlafen?«
    »Jedenfalls nicht aus Vorsatz. Ich sah sie immer am Schaufenster vorbeigehen – das war, als David noch mein Angestellter war, bevor wir Teilhaber wurden –, und sie war immer so keck und energiegeladen, hatte für jeden ein Lächeln. Du weißt doch noch? Du bist ja wohl selber mit ihr gegangen?«
    »Ja. Aber –«
    »Bitte – ich mach' dir keine Vorwürfe. Du warst nicht wie die anderen. Du hast etwas Zartes in dir. Zartheit und Schmerz. Ich mach' dir keine Vorwürfe. Ich sage nur, du hast gewußt, wieviel Leben in ihr war, wieviel Güte.«
    »Ja.«
    »Nun ja. Eines Abends im Sommer stehe ich vor dem Laden und schnappe Luft. Damals gab's noch nicht soviel Arbeit wie heute. Wir waren noch nicht von den Innenarchitekten ›entdeckt‹ worden. Ich stand also da, und sie kam vorbei. Diesmal allein. Irgendwie spürte ich, sie hatte einen Moralischen, hatte den cafard. Ich sagte guten Abend. Sie blieb stehen. Wir plauderten über dies und jenes … über nichts. Es war einer von diesen langen, weichen Abenden, an denen man sich gut fühlt, aber auch ein bißchen traurig, wie manchmal beim Wein. Irgendwie brachte ich den Mut auf, sie in ein Restaurant zum Abendessen einzuladen. Ich sagte es im Spaß, damit sie leichter nein sagen konnte. Aber sie sagte ja, einfach so. Also aßen wir zusammen zu Abend. Wir unterhielten uns und tranken eine Flasche Wein. Sie erzählte mir von ihrer Kindheit auf der Main. Über die Männer, die sie schon mit fünfzehn ins Bett zogen. Sie lachte darüber, aber im Grunde lachte sie natürlich nicht. Und nach dem Essen brachte ich sie nach Hause. Ein warmer Abend, Paare Hand in Hand. Und die ganze Zeit dachte ich nicht daran, mit ihr ins Bett zu gehen. Ich konnte das gar nicht denken. Schließlich erinnerte sie mich ja an meine Schwester.
    Als wir vor ihrem Hause ankamen, sagte sie, ob ich nicht noch raufkommen wollte. Ich wollte an so einem schönen Sommerabend nicht gleich nach Hause gehen und hier nur rumsitzen und aus dem Fenster schauen, also sagte ich ja. Und als wir in ihre Wohnung kamen, gab sie ihrem kleinen Mädchen einen Gutenachtkuß, ging in ihr Schlafzimmer und fing an, sich auszuziehen. Einfach so. Sie zog sich bei offener Türe aus und hat die ganze Zeit mit mir über dies und jenes geplaudert. Sie war traurig gewesen an diesem Abend und brauchte jemand, mit dem sie sprechen konnte. Und nun bot sie mir als Gegenleistung für das Abendessen und weil ich ihr zugehört hatte an, was sie geben konnte. Hätte ich sie zurückweisen sollen?
    Nein! Nein!« Moisches Hände schließen sich fest um die Stuhllehnen. »Jetzt ist nicht die Zeit, sich selbst zu belügen. Vielleicht war es gar nicht so sehr die Rücksicht, sie nicht abzuweisen, jedenfalls nicht entscheidend. Sie war ausgezogen, und ich sah ihren Körper … ihr rotes Haar. Und da wollte ich sie. Sie hatte mir erzählt, wie sie mit Männern geschlafen hatte, um genug zu essen zu haben, und nun wollte sie mit mir schlafen für ein Abendessen. Ich wollte ihr beweisen, daß ich anders war als die andern Männer. Ich wollte sie in Ruhe lassen. Als Beweis für meine Liebe. Aber sie war nackt, und es war ein milder Abend gewesen mit Wein, und … ich wollte sie … Und … eine Woche darauf … beging sie Selbstmord.«
    »Aber, Moische …«
    »Ach, ich weiß! Ich weiß, Claude! Das hatte nichts mit mir zu tun. So wichtig war ich gar nicht für sie. Ein zufälliges Zusammentreffen, ich weiß. Aber ich empfand, daß
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