Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
Autoren: Trevanian
Vom Netzwerk:
Seide wären. LaPointe muß an die langen Diskussionen über Sünde und Verbrechen denken und über die Sünde wider die Liebe. Moische hat versucht, das zu erklären. Und dann schiebt sich ein schrecklich unfreundliches Bild vor LaPointes geistiges Auge: Ob wohl Moische, als er mit Yo-Yo schlief, gegrunzt hat.
    »Erzähl mir von ihr«, sagt Moische ruhig.
    Es dauert eine Sekunde, bis LaPointe wieder im Geleise ist. »Über Mlle. Montjean?«
    »Ja. Ich hab' mir immer vorgestellt, wie es wäre, wenn ich sie irgendwie kennenlernte und wir ein paar Stunden über dies und jenes redeten … natürlich ohne daß ich ihr irgendwas verraten würde. Nur um mal zu sehen, wie sie denkt, was ihr etwas bedeutet, ihre Pläne, Hoffnungen, Vorstellungen, ihre Weltanschauung.« Moische lächelt gezwungen. »Sieht nicht so aus, als ob das jetzt noch eintritt. Warum erzählst du mir also nichts von ihr. Sie ist ein intelligentes Mädchen, wie?«
    »Ja, sieht ganz so aus. Sie spricht Lateinisch.«
    »Und ist sie sensibel – öffnet sie sich?«
    »Ja.«
    »Ich wußte es. Ich wußte, daß diese Eigenschaft von ihrer Mutter auf sie übergehen würde. Und glücklich? Ist sie glücklich?«
    Dem Lieutenant ist bewußt, daß alles, was Moische für das Mädchen getan hatte, sinnlos gewesen wäre, wenn sie nicht glücklich wäre.
    »Ja«, sagt LaPointe, »sie ist glücklich. Warum auch nicht? Sie hat alles, was sie sich nur wünschen kann. Bildung. Erfolg. Du hast ihr eben alles gegeben.«
    »Das ist gut. Das ist gut.« Der Himmel ist dunkel und spiegelt sich nicht mehr in Moisches Brillengläsern. Seine Augen werden weich. »Sie ist glücklich.« Eine Weile wärmt er sich an diesem Gedanken. Dann seufzt er und hebt den Kopf, als erwache er.
    »Mach dir keine Gedanken, Claude.«
    »Worüber?«
    »Über diese Sache. Muß schlimm für dich sein. Schmerzlich. Schließlich sind wir Freunde. Aber du brauchst mich nicht zu verhaften. Ich erledige das alles selber. Tausendmal habe ich mich im Lager verflucht, daß ich mich von ihnen habe greifen lassen. Hab' mir vorgeworfen, daß ich mich nicht umgebracht habe, bevor sie mich erniedrigen und meine Seele besudeln konnten. Und als ich dann rauskam, da kaufte ich mir eine … Medizin. Du würdest staunen, wie viele, die das Lager überlebt haben, irgendwo im Verborgenen diese Medizin haben. Nicht etwa, daß sie sie jemals einnehmen wollten. Nein, sie hoffen und erwarten, daß das niemals nötig sein wird. Aber es ist doch ein großer Trost zu wissen, daß es sie gibt. Zu wissen, daß man nie wieder gezwungen werden kann, sich der Entwürdigung auszusetzen.
    Ich werde diese Medizin bald nehmen. Ich werde dir die Peinlichkeit ersparen, mich zu verhaften.«
    Nach einer Pause fragt LaPointe: »Möchtest du, daß ich bei dir bleibe?«
    Moische spürt die Versuchung. Es wäre ein Trost. Doch: »Nein, Claude. Geh nur und mach deine Runde auf der Main. Bring die Straße zu Bett wie ein guter Schutzmann. Ich bleib' hier noch eine Weile sitzen. Trink' vielleicht noch ein Gläschen Schnaps. Ist nicht mehr viel übrig. Warum soll er verkommen?«
    LaPointe stellt das leere Glas hin und steht auf. Er wagt es nicht, dem Impuls, Moische zu berühren, nachzugeben. Moische hat sich wieder gefaßt. Die Gefühlsregung könnte ihm weh tun. LaPointe drückt seine Fäuste tief in die Manteltaschen und reibt die Knöchel an seinem Revolver.
    »Was wohl aus ihr wird?« fragt Moische.
    LaPointe folgt seinem Blick nach unten, wo das halbwüchsige Mädchen allein mit dem Rücken gegen die verwitterte Ziegelmauer steht. »Was wird aus denen, Claude?«
    LaPointe geht aus dem Zimmer und schließt die Türe leise hinter sich.
    Auf der Main schneit es, die Läden schließen. Eisengitter scheppern runter, Türen werden abgeschlossen, hier und da bleibt hinten das Licht brennen, als Abschreckung für Diebe.
    Die Gehsteige wimmeln von Menschen, eine drängende, durcheinanderlaufende, dahinströmende Masse, die Hälse tief in die Mantelkragen gezogen, die Augen blinzelnd vor lauter Schnee.
    An Straßenecken und -Verengungen gerät der Fußgängerschwarm ins Stocken, einer läuft auf den anderen auf, schlängelt sich oder kämpft sich mit den Schultern durch diese gesichtslosen und unwichtigen andern, die einen letztlich nur aufhalten, weiter nichts.
    Dicke Schneeflocken fallen schräg durch das grelle Neonlicht der Imbißstuben, der Fischgeschäfte, der Bars und der Cafés. Die Menschen halten ihre Pakete so, daß sie nicht völlig naß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher