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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod
Autoren: Sara J. Henry
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zuständige Behörden, zwei Länder mit unterschiedlichen Rechtssystemen, zwei Bundesstaaten und zwei Provinzen.
    Die Polizei von Ottawa verhörte Claude, dem man mitgeteilt hatte, dass seine Schwester hier gelebt hatte und gerade erst gestorben war. Vermutlich hätte er jegliche Beteiligung an der Entführung abstreiten können, was immer Madeleine mir auch erzählt haben mochte. Vielleicht glaubte er aber, die Polizei würde Beweise finden. Möglicherweise stand er auch unter Schock und wollte sein Gewissen erleichtern, jedenfalls redete er wie ein Wasserfall. Er gab zu, das Lösegeld abgeholt zu haben. Bis zu jenem Zeitpunkt habe er geglaubt, dass man |324| Paul seinem Vater zurückgeben werde. Er betrachtete noch einmal die Bilder der Entführer, die er zuvor kaum eines Blickes gewürdigt hatte. Nachdem ein Zeichner ihr Alter angepasst hatte, erklärte er, es könnte sich um zwei Brüder handeln, die zusammen mit ihm und Madeleine in einer Pflegefamilie gelebt hatten.
    Die Polizei hatte die beiden in einer kleinen Stadt nördlich von Montreal ausfindig gemacht und verhaftet. Hatte die kanadische Polizei anfangs etwas träge reagiert, so machte sie das nun wieder wett.
    »Claude wusste also nicht, dass Madeleine hier gelebt hat?«
    Jameson schüttelte den Kopf. »Er dachte, sie sei nach New York gegangen, und er würde sie dort irgendwann treffen. Die Komplizen lebten allerdings schon hier. Wir finden ständig neue Einzelheiten heraus.«
    Kein Wunder, dass Claude mir so misstrauisch begegnet war – er musste vollkommen verblüfft gewesen sein, als ich mit Paul auftauchte, und sich gefragt haben, ob ich Madeleine kannte oder irgendwie in die Sache verwickelt war.
    »Gaius«, sagte ich plötzlich, als mir die E-Mails einfielen. »Claude war Gaius.«
    Jameson schaute mich an und nickte.
    »Und die   … Leiche? Die tote Frau in Montreal?«
    Er hielt inne, bevor er weitersprach, als wollte er einschätzen, ob ich der Neuigkeit schon gewachsen sei. »Das bleibt unter uns, bis es bestätigt und die Familie verständigt worden ist. Sie glauben, es sei die Frau, mit der Claude eine Beziehung hatte.«
    Das musste ich erst verdauen. Madeleine hatte also die Freundin ihres Bruders getötet und die Leiche in ihrem Auto irgendwo im Wald gelassen – eine Frau, die ihr so ähnlich war, dass Philippe die Leiche Monate später als die seiner Frau identifiziert hatte. Vermutlich hatte Madeleine selbst der Polizei den Tipp gegeben, damit sie sie zum passenden Zeitpunkt hatten finden können.
    |325| Jameson merkte wohl, dass ich daran zu knabbern hatte. Er räusperte sich. »Troy, der römische Kaiser Gaius war als Caligula bekannt. Und zwei seiner Schwestern hießen Julia.«
    Allmählich fügten sich die Puzzleteile zusammen. Selbst ich wusste, dass Caligula seinen Schwestern näher gestanden hatte, als es für einen Bruder gut ist, und hätte ich mich besser in römischer Geschichte ausgekannt, wäre ich vielleicht schon früher darauf gekommen. Andererseits kann ich bisweilen erstaunlich naiv sein.
    »Weiß Claude, wer die tote Frau war?«, fragte ich schließlich.
    »Nein, noch nicht.«
    Mein Mitleid war größer, als ich erwartet hatte.
     
    Als Philippe mich später am Morgen besuchen kam, wirkte er deutlich erholt. Er war wieder der effiziente Geschäftsmann, die Rolle, in der er sich vielleicht am wohlsten fühlte. Er hatte mit Elise gesprochen, die jetzt einiges wusste, und mit Paul, der nichts wusste. Ich erfuhr, dass Claude eine Kopie von Madeleines Geburtsurkunde zur Verfügung gestellt und das Jugendamt von Québec ihre Fingerabdrücke ermittelt hatte. Also musste man nicht auf eine DN A-Analyse warten. Auf zahnärztliche Unterlagen konnte man sich natürlich nicht mehr verlassen. Ich fragte nicht, was aus der Person geworden war, die Madeleine bei der Manipulation der Unterlagen geholfen hatte.
    Claude war davon ausgegangen, dass Paul nach der Entführung irgendwo in der Nähe untergebracht worden war. Von der Gefangenschaft, den Komplizen aus Burlington oder Vince hatte er nichts gewusst. Für ihn war es ein cleveres und eher harmloses Komplott gewesen, um den Ehevertrag auszuhebeln. Ich glaubte ihm. Philippe übrigens auch.
    »Genau so etwas würde ihm gefallen«, sagte er. Er kannte die Stärken und Schwächen seines Schwagers. Ich fragte ihn |326| nicht, ob er von der Gaius-Julia-Geschichte wusste oder glaubte, es sei mehr als nur ein besonders geschmackloser Scherz unter Geschwistern gewesen. Manche Dinge muss
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