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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod
Autoren: Sara J. Henry
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Paul das Gesicht verzog, weil ihm ein Gericht nicht schmeckte. Wir gingen noch einmal seine Kleider durch. Wir besorgten ihm einen iMac, auf dem er bessere Spiele spielen konnte – und erklärten ihm, dass Tiger und ich nach Lake Placid zurückkehren würden, sobald ich mich erholt hatte. |334| Baker und ihre Familie kamen am Wochenende zu Besuch, und die Jungs bestanden darauf, zusammen in Pauls Zimmer zu schlafen. Sie quetschten sich jeweils zu zweit in ein Bett und kicherten die ganze Nacht.
    Schließlich erzählten wir Paul beiläufig, dass seine Mutter nicht im letzten Jahr gestorben war, sondern erst vor kurzem. In Burlington.
    »Als du da warst?«
    Ich nickte. Er überlegte kurz und sagte dann: »Ich bin froh, dass du jetzt hier bist.« Dann ging er wieder spielen.
    Seine Psychologin erklärte uns, dass dies in seinem Alter eine übliche Reaktion sei, zumal Paul seiner Mutter nicht sonderlich nahegestanden habe und sie einander so lange nicht gesehen hatten. Sie riet uns, seine Fragen so ehrlich und rücksichtsvoll wie möglich zu beantworten. Ich überlegte, wonach Paul wohl fragen würde und was er sich bis dahin schon zusammengereimt hätte. Hoffentlich hatte er nicht doch das Gesicht des Menschen gesehen, der ihn in den Lake Champlain geworfen hatte.
    Während wir in der Dämmerung durch die Nachbarschaft spazierten, erzählte ich Philippe in allen Einzelheiten, was auf dem Boot geschehen war. Im Haus wollte ich nicht über Madeleine sprechen und auch nicht sein Gesicht sehen, wenn ich es ihm sagte. Er hörte zu, und als ich fertig war, zog er mich ganz fest an sich. Dann gingen wir weiter und erwähnten es nie wieder.
    Wir sprachen mehrmals über uns, spätabends, wenn Paul im Bett war. Wir hatten zu viel gemeinsam durchgemacht, um scheu zu sein, aber wir hatten beide noch einiges zu bewältigen. Ich war ein anderer Mensch als zu Beginn dieser Geschichte, aber noch nicht ganz die, die ich sein wollte. Philippe hatte jahrelang mit einer Frau zusammengelebt, die sich als Mörderin entpuppt hatte, und ich vermutete, dass auch er unter Albträumen litt.
    |335| Vielleicht würde ich mich eines Tages in ein neues Leben verpflanzen, aber dazu musste ich bereit sein, und das war ich noch nicht. Außerdem konnte ich nicht zulassen, dass Paul mich als festen Bestandteil seiner Familie betrachtete und vielleicht wieder verlor, nur weil Philippe und ich uns zu früh auf etwas eingelassen hatten.
    Ich wusste nicht, ob ich noch nach Lake Placid gehörte, aber es war im Augenblick mein Zuhause.
    Es war Zeit zu gehen.
     
    Ich umarmte Elise und dann Philippe. »Komm wieder, sobald du kannst«, sagte er und umarmte mich. Ich drückte ihn ganz fest. Dann kniete ich mich hin, nahm Paul in die Arme und tröstete ihn, als er aufschluchzte.
    »Wir sehen uns bald«, flüsterte ich, doch er wollte mich nicht anschauen.
    Es fiel mir schwer, tief durchzuatmen. Mir war schwindlig, als befände ich mich auf einem hohen Berg, und ich musste mich ins Auto zwingen. Ich lächelte schwach und winkte. Ich musste das hier tun; es war richtig für mich, für uns alle.
    Im Rückspiegel sah ich Paul in den Armen seines Vaters, bis ich um die Ecke bog. Einige Kilometer weiter hielt ich an und weinte, schluchzte laut, bis mein Atem ruhiger ging und ich weiterfahren konnte. Die Tränen liefen mir über die Wangen, bis ich Cornwall erreichte und auf die Brücke nach New York fuhr.
    Manchmal weiß man, dass man die richtige Entscheidung getroffen hat, gerade weil sie einem so schwergefallen ist.

Informationen zum Buch
    Mit einem lebensgefährlichen Sprung von einer Fähre rettet die Journalistin Troy einem kleinen Jungen das Leben. Offenbar wird er von niemandem vermisst. Was ist geschehen? Nach und nach gewinnt sie das Vertrauen des kleinen Paul, und er erzählt ihr eine furchtbare Geschichte: Er wurde gemeinsam mit seiner Mutter entführt und monatelang in einem kahlen Zimmer gefangengehalten. Wer steckt hinter der Entführung? Etwa der Vater? Troy beschließt, den Kleinen auf keinen Fall den Behörden oder dem Vater zu übergeben, solange sie nicht sicher ist, dass dieser nichts mit dem Verbrechen zu tun hat. Ein Entschluss, der dramatische und hochgefährliche Folgen haben wird...

»Ein eindrucksvolles Debüt. Wunderbar geschildert sind die ungewohnten Gefühle, die Troy überfallen, als sie ihr Leben und ihre Beziehungen neu überdenkt. Und vielleicht ist ihre Reise noch nicht vorüber...«
    Publishers Weekly

»Eine ganz und gar moderne
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