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Ein Hauch von Seele

Ein Hauch von Seele

Titel: Ein Hauch von Seele
Autoren: Sandra Gernt
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zurecht, die noch vom Schneeregen feucht waren, ließ sich seufzend auf den Bürostuhl fallen und schaltete den Computer an. Er war dankbar, den Gestank von Pizza und Zigaretten loszuwerden. Allzu leicht setzte der sich in der Kleidung fest. Misstrauisch schnupperte er an seinem maßgeschneiderten dunkelgrauen Anzug. Dämonenjagd war schließlich kein Grund, sich schlampig zu kleiden, auch wenn sein Partner darüber anders denken mochte … Nein, alles war gut gegangen. Andernfalls hätte er Zedrik die Reinigungskosten vom Gehalt abgezogen.
    Jeremys Postfach quoll über. Es gab keinen Mangel an Arbeit für Dämonenjäger in einer Welt, die von der Höllenbrut überrannt zu werden drohte. Oh, viele der Seelenlosen waren unglaublich zivilisiert. Die Vampire etwa lebten in elitären Familienclans in sämtlichen Großstädten und waren zumeist ein angesehener Teil der Gesellschaft. Werwölfe bedeuteten ebenfalls selten ein Problem. Alle Rudel wurden von fähigen Alphas geleitet, die mithilfe menschlicher Angestellter dafür sorgten, dass niemand bei Vollmond hinaus konnte. Wenn alles gut lief, jedenfalls. Jeremy hatte schon mehr als einmal in düsteren Verliesen ermitteln müssen. Doppelte Stahlverkleidungen und Türen mit Sicherheitsschlössern waren Standard, nutzten allerdings wenig, wenn irgendein Wahnsinniger die sterblichen Helfer niedermetzelte, um die Werwölfe zu befreien …
    Schlimmer waren die hochrangigen Dämonenfürsten, die nicht einmal einen Beschwörer brauchten, um ungehindert zwischen den Welten zu wechseln.
    „Irgendwas Interessantes dabei?“ Zedrik war zurückgekehrt und setzte sich auf Jeremys Schreibtisch, als gäbe es nicht genügend Stühle in diesem Raum. Sein Partner reagierte weder auf strafende Blicke, erhobene Augenbrauen oder andere subtile Zeichen von Verärgerung, darum sparte Jeremy sich die Mühe. Heute war Daves Todestag. Er war gestorben, weil Jeremy nachlässig gewesen war. Zu unaufmerksam, zu sehr darauf bedacht, cool zu sein und die Dämonenjagd als großen Spaß zu betrachten. Das würde ihm niemals wieder passieren. Keine Partys, keine One-Night-Stands, keine Ausreißer in Disziplin und Selbstbeherrschung.
    Zedrik wusste von alledem nichts, und genau so sollte es auch bleiben.
    Seitdem war kaum ein Tag vergangen, an dem er das morgendliche Krafttraining in Nahkampf- und Waffenübungen hatte schleifen lassen. Er war kein Muskelprotz, sondern auf Kraft, Schnelligkeit und Präzision trainiert. Alles, was notwendig war, um gegen Dämonen zu bestehen, die ihm körperlich in jeder Hinsicht überlegen waren … Das war der Hauptgrund gewesen, warum er Zedrik nicht nur als Partner angestellt hatte, sondern auch dessen Fehler tolerierte – mit einem Halbdämon an der Seite stieg die Lebenserwartung.
    Jeremy konzentrierte sich wieder auf das halbe Dutzend E-Mails, das er vom Betreff her als bedeutsam eingestuft hatte.
    „Zwei verschwundene Kinder im Westbezirk, deren Eltern fürchten, dass Vampire dahinterstecken.“ Sie wechselten einen echten Blick – Zedrik linste über den Rand seiner Sonnenbrille. Gleichzeitig schüttelten sie die Köpfe, während Jeremy die E-Mail bereits an die zuständige Polizeistation weiterleitete. Die Zeiten, in denen Vampire wahllos Opfer von der Straße geholt hatten, waren seit fünfzig Jahren vorbei, seit dem Holy Treaty of Peace and Community , der das friedliche Miteinander der verschiedenen Spezies regulierte. Und dennoch steckte dieses Vorurteil im Bewusstsein der Bevölkerung und wollte einfach nicht weichen.
    „Ein Mann, der …“ Jeremy verdrehte gereizt die Augen und löschte die Mail kommentarlos. Schon wieder ein Spinner, der nach einem Hundebiss fürchtete, sich in einen Werwolf verwandeln zu müssen!
    „Eine Grundschullehrerin glaubt, einen Poltergeist in der Klasse zu haben.“
    „Wer das bloß glaubt , hat garantiert keinen.“ Zedrik grinste und auch Jeremy musste sofort an den Poltergeist denken, der ihnen letzten Sommer mehrere Tage lang das Leben schwer gemacht hatte. Eine Erfahrung, die er nicht so schnell hatte wiederholen wollen.
    „Hm, klingt aber schon ernst“, sagte Jeremy, nachdem er weiter gelesen hatte. „Zerschlagenes Mobiliar, zerfetzte Bücher, obszöne Schriftzüge, die aus dem Nichts erscheinen, all das könnte auch von einem Kobold stammen, ja. Oder von einem der Schüler selbst. Nur würde kein Kobold hingehen und den Klassensprecher mitten in der Stunde ins Aquarium stopfen. Jedenfalls nicht in eines von
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