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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO
Autoren: Peter Mayle
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immer wieder aufs Neue belustigt, angefangen vom Skateboarden während der Schulzeit bis zu Karate, einer Passion, die ihn seit einem Jahr auf Trab hielt. Nun hatte offenbar der Wein das Rennen um seine Gunst gewonnen. Max lächelte, als er den Ausdruck reinster Wonne auf Charlies Gesicht gewahrte, und fragte: »Alles klar?«
    Charlie ignorierte ihn. »Und nun die kleinen Freuden für Mund, Zunge und Gaumen.« Er nahm einen Schluck Wein und behielt ihn im Mund, während er ein wenig Luft zwischen den Zähnen einsog und dabei ein leises Schlürfen von sich gab. Ein paar Sekunden kaute er darauf herum, wobei seine Kinnbacken auf und ab hüpften, bevor er schluckte. »Mmm«, sagte er. »Und der letzte Schritt ist die Würdigung. Botschaften vom Gaumen ans Gehirn. Gedanken an den Wein, der noch kommen wird.« Er nickte dem Sommelier zu. »Recht ordentlich. Sie können ihn eine Weile atmen lassen. Nein, noch besser - Sie können dafür sorgen, dass er nach dem Wirbel wieder zur Ruhe kommt.«
    »Sehr beeindruckend«, staunte Max. »Ich habe gestaunt wie im Theater. Hast du das in deinem Weinverkostungs-Seminar gelernt?«
    Charlie nickte. »Nur Basiswissen, aber es ist erstaunlich, was für einen Unterschied man allein dadurch bewirkt - wenn man sich Zeit lässt, um sich auf das Trinken zu konzentrieren. Und heute Abend haben wir Glück. Um mir die Wartezeit zu vertreiben, habe ich mir die Speisekarte angeschaut; es gibt Lammrücken. Passt hervorragend zu einem köstlichen Bordeaux. Und ich dachte, als Vorspeise nehmen wir Blinis, zum restlichen Champagner. Wie klingt das?«
    Die Lammkoteletts mit geliertem Fett beim Mittagessen mit Amis waren nur noch eine ferne Erinnerung. »Die ideale Kost für einen Arbeitslosen.«
    Charlie fegte das Problem mit einer lässigen Handbewegung vom Tisch. »Das dürfte für dich doch kein Problem sein. Und außerdem hast du ja dein Erbe. Von nun an gehörst du zum Landadel... Erzähl mir von deinem Château.«
    »Von dem Haus, Charlie, dem Haus.« Max schwieg einen Moment, kramte in seinem Gedächtnis: »Es ist ziemlich alt, stammt aus dem achtzehnten Jahrhundert, glaube ich, eine so genannte bastide, was eine oder zwei Klassen besser ist als ein Bauernhaus. Große Räume, hohe Decken, geflieste Fußböden, hohe Fenster, dicke Mauern. Ich erinnere mich, dass es drinnen immer kühl war. Kühl und ziemlich chaotisch, ehrlich gesagt. Onkel Henry hielt nicht viel von Hausarbeit. Eine alte Zugehfrau, eine richtige Perle, kam einmal in der Woche mit dem Fahrrad herüber und verteilte den Staub um, wenn sie nicht gerade an der Flasche hing. Zur Mittagszeit war sie schon nicht mehr ansprechbar. Hinter der Küche gab es eine kleine Speisekammer, wo sie den Nachmittag verschlief.«
    Charlie nickte. »Und wenn sie nicht gestorben sind... Und jetzt rück mal ein paar sachdienliche Informationen heraus, an denen sich ein Immobilienmakler entlanghangeln kann: Anzahl der Schlafzimmer, Empfangsräume, Badezimmer - vorausgesetzt, es gibt etwas, was man in unserer Branche als sanitäre Einrichtungen innerhalb des Hauses bezeichnen würde -, Einrichtungen über solche Notwendigkeiten hinaus, architektonische Merkmale, Türmchen oder Erker, Zinnen, solche Dinge eben.« Er lehnte sich zurück, damit der Kellner die Blinis mit Kaviar servieren konnte. Sie unterbrachen die virtuelle Hausbesichtigung, um sich die goldbraunen, schmackhaften Pfannkuchen einzuverleiben, ein perfekter Kontrast zu den glänzenden, schwarzen, salzigen Rogen, die wie eine schillernde Seifenblase im Mund zerplatzen.
    »Daran könnte ich mich gewöhnen«, sagte Max und wischte seinen Teller blank. »Glaubst du, sie würden genauso gut schmecken, wenn sie Fischeier hießen?«
    Charlie tupfte seinen Mund mit der Serviette ab und trank seinen Champagner aus. »Du bekommst keinen einzigen Tropfen Wein, wenn du mich nicht endlich mit ein paar Einzelheiten ausstattest. Also raus mit der Sprache, mein Alter. Spuck's aus.«
    »Ausstatten? Großer Gott, das klingt wie eine Werbeanzeige aus Country Life oder sonst einer Schöner-Wohnen-Zeitschrift.« Charlie grinste und nickte selbstzufrieden, als Max fortfuhr. »Es ist lange her, seit ich das letzte Mal dort war. Jahre, wenn du es genau wissen willst. Mal überlegen. Ich erinnere mich, dass es dort eine Bibliothek mit einem riesigen ausgestopften Bären gab, ein Speisezimmer, das wir nie benutzten, weil wir immer in der Küche aßen, ein weitläufiges Wohnzimmer mit Deckengewölbe, einen
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