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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur
Autoren: Ian Banks
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Aufgeblasene Widerlinge, der ganze Haufen. Sie verdienten den Tod (wenn man diese Auffassung vertreten wollte), aber warum mußte ich es sein, der sie tötete? Gottverdammte phallische Raumschiffe!
    Nicht daß die V-Bahn weniger penisgleich aussah, und außerdem zweifelte ich nicht daran, daß Kaddus und Cruizell, wenn der Admiral mit der Bahn angekommen wäre, mich angewiesen hätten, diese abzuknallen; verfluchte Scheiße. Ich schüttelte den Kopf.
    Ich hielt ein großes Glas mit Jahl in der Hand – der billigste hochprozentige Fusel in Vreccis. Es war mein zweites Glas, aber ich genoß es nicht. Die Pistole plapperte weiter und sprach zu dem spärlich möblierten Hauptraum unserer Wohnung. Ich wartete auf Maust und sehnte mich noch mehr nach ihm als gewöhnlich. Ich warf einen Blick auf das Terminal an meinem Handgelenk; nach der Zeitanzeige müßte er jetzt jeden Moment zurückkommen. Ich sah hinaus in das schwache, wäßrige Licht des Morgengrauens. Ich hatte bis jetzt noch nicht geschlafen.
    Die Waffe redete weiter. Sie sprach natürlich Marain, die Sprache der Kultur. Ich hatte sie seit fast acht Standardjahren nicht mehr gehört, und als ich sie jetzt vernahm, war ich traurig und kam mir gleichzeitig töricht vor. Mein Geburtsrecht; mein Volk; meine Sprache. Acht Jahre in der Fremde, acht Jahre in der Wildnis. Mein großes Abenteuer, mein Verzicht auf etwas, das mir steril und leblos vorkam, um mich in eine lebendigere Gesellschaft zu stürzen, meine großartige Geste…
    Nun ja, jetzt erschien sie wie eine leere Geste, jetzt sah die ganze Unternehmung wie eine dumme Laune aus.
    Ich trank noch mehr von dem scharf schmeckenden Schnaps. Die Pistole quasselte weiter, erzählte etwas von Strahlverbreitungs-Maß, gyroskopischen Webmustern, Gravitationskontur-Modus, Sichtlinien-Modus, Kurvenschüssen, Sprüh- und Durchbohrungsfähigkeiten… Ich erwog, meine Drüsen etwas Angenehmes und Kühles produzieren zu lassen, sah aber davon ab; vor acht Jahren hatte ich das Gelübde abgelegt, von diesen raffiniert veränderten Drüsen keinen Gebrauch mehr zu machen, und ich hatte dieses Gelübde nur zweimal gebrochen, und in beiden Fällen war es unter dem Einfluß heftiger Schmerzen geschehen. Wenn ich mutig gewesen wäre, hätte ich mir das ganze verdammte Zeug herausnehmen und mich in den menschlichen Normalzustand zurückversetzen lassen, gemäß unserem ursprünglichen animalischen Erbe… Aber ich bin nicht mutig. Ich habe entsetzliche Angst vor Schmerzen, und ich kann mich ihnen nicht ungeschützt aussetzen, wie es diese Leute hier können. Ich bewundere sie, fürchte sie, und kann sie dennoch nicht verstehen. Nicht einmal Maust. Genauer gesagt, Maust am allerwenigsten. Vielleicht kann man niemals etwas lieben, das man vollkommen versteht.
    Acht Jahre im Exil, acht Jahre für die Kultur verloren, ohne je diese seidenweiche, feine, kompliziert-einfache Sprache zu hören, und jetzt, da ich nach so langer Zeit Marain höre, wird es von einer Waffe gesprochen, die mir erzählt, wie ich sie zu bedienen habe, damit ich töten kann… wen? Hunderte von Leuten? Vielleicht Tausende? Es wird davon abhängen, wo das Schiff abstürzt, ob es explodiert. (Können primitive Raumschiffe überhaupt explodieren? Ich hatte keine Ahnung, das war nie mein Fachgebiet.) Ich kippte noch einen Drink in mich hinein und schüttelte den Kopf. Ich konnte es nicht.
    Ich bin Wrobik Sennkil, Vreccilischer Bürger Nummer… (ich vergesse es ständig; es steht in meinen Papieren), männlich, Ur-Rasse, dreißig Jahre alt; freiberuflicher Teilzeit-Journalist (zur Zeit ohne Beschäftigung), und Vollzeit-Spieler (ich neige zum Verlieren, aber ich habe Spaß dabei, zumindest bis letzte Nacht). Aber außerdem bin ich auch noch Bahlln-Euchers Wrobich Vress Schennil dam Flayssee, Bürger der Kultur, von Geburt weiblich, Rasse: zu gemischt, um zurückverfolgt zu werden, achtundsechzig Jahre alt, Standardmaßstab, und zeitweise Mitglied der Kontakt-Sektion.
    Und ein Abtrünniger. Ich habe mich dafür entschieden, die Freiheit auszuleben, die die Kultur mit soviel Stolz ihren Einwohnern gewährt, indem ich mich vollkommen aus ihr abgesetzt habe. Man ließ mich gehen, war mir sogar behilflich, obwohl ich zögerte, die Hilfe anzunehmen. (Aber hätte ich selbst meine Papier fälschen, alle nötigen Vorbereitungen in die Wege leiten können? Nein; aber immerhin, nach meiner Umerziehung zu dem Lebensstil der Vreccilischen Wirtschaftsgemeinschaft und nach dem
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