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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur
Autoren: Ian Banks
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Geschichte.«
    »Ach, lies doch ein Buch!« murmelte Mc9 und kuschelte sich ins Stroh.
    Der kleine Gefährte gab einen zischenden Ton von sich und lehnte sich zurück, die Lippen fest zusammengepreßt und die kleinen Hände in den Armkuhlen vergraben. Er starrte auf die Straße, die sich bis zum wabernden Horizont erstreckte.
    Nach einer Weile zuckte der Gefährte die Achseln, griff unter den Weinschlauch, wo seine Mappe lag, und holte ein kleines, dickes schwarzes Buch hervor. Er stieß Mc9 erneut an. »Wir haben nur diese Bibel«, bemerkte er. »Welchen bißchen sollen mich lesen?«
    »Schlage einfach aufs Geratewohl eine Stelle auf«, murmelte Mc9 aus dem Schlaf.
    Der Gefährte schlug die Bibel aufs Geratewohl auf, Kapitel sechs, und las:
     
»Ja, ja, ja, wahrlich ich sage euch: Vergeßt nicht, daß jede Geschichte zwei Seiten hat, eine richtige Seite und eine falsche Seite.«
     
    Sein Gefährte schüttelte den Kopf und warf das Buch über die Seite des Karrens.
    Die Straße ging ewig weiter. Der Kutscher röchelte und schnarchte, das schwitzende Zugtier keuchte und mühte sich ab, während Mc9 im Schlaf lächelte und ein wenig stöhnte. Sein Gefährte vertrieb sich die Zeit damit, sich Mitesser aus der Nase zu drücken und sie dann wieder einzusetzen.
    … sie hatten an der Furt durch den schattigen Bach angehalten, wo sich die Mägde schließlich zu einem Bad überreden ließen, mit nichts anderem bekleidet als ihren dünnen, an der Haut klebenden…
    Eigentlich war das pferdähnliche Tier, das den Karren zog, die berühmte Dichterin Abrusci vom Planeten Nuneristauf- meiner- kartenichtbenanntleutnant, und sie hätte dem gelangweilten Gefährten jede Menge mitreißender Geschichten aus der Zeit vor der Befriedung und Befreiung ihrer Heimatwelt durch das Imperium erzählen können.
    Sie hätte ihnen auch erzählen können, daß sich die Stadt mit der gleichen Geschwindigkeit über das Hochmoor von ihnen entfernte, wie sie sich darauf zubewegten, über die endlose Heide auf ihren Millionen von riesigen Rädern dahinrollend, während der fortwährende Nachschub an besiegten Feinden des Imperiums immer neue Trophäen lieferte, die ihren Platz im Beton der berühmten Straße der Schädel erhielten…
    Aber das ist, wie man so sagt, eine andere Geschichte.

 
Ein Geschenk der Kultur
     
     
     
     
     

 
    Geld ist ein Zeichen von Armut. Das ist eine alte Kultur-Redewendung, an die ich mich hin und wieder erinnere, besonders wenn ich in Versuchung gerate, etwas zu tun, das ich, wie ich weiß, nicht tun sollte, und bei dem es um Geld geht (wobei geht es nicht darum?).
    Ich betrachtete die Pistole, die klein und mit der Ausstrahlung von Präzision in Cruizells breiter, narbenübersäter Hand lag, und der erste Gedanke, der mir in den Sinn kam – nachdem ich gedacht hatte: wo, zum Teufel, haben sie eine von diesen Dingern aufgetrieben –, war: Geld ist ein Zeichen von Armut. Wie angemessen dieser Gedanke auch gewesen sein mochte, er war keine große Hilfe.
    Ich stand vor einem Spielclub, in dem kein Kredit gewährt wurde, in der Unterstadt von Vreccis in den frühen Morgenstunden eines regnerischen Wochenendes und betrachtete eine hübsche, spielzeugartige Pistole, während zwei große Typen, denen ich eine Menge schuldete, von mir verlangten, daß ich etwas außerordentlich Gefährliches und schlimmer als Illegales tun sollte. Ich wog die Verlockungen eines Fluchtversuchs (sie würden mich erschießen), einer Weigerung (sie würden mich zusammenschlagen; vermutlich würde ich die nächsten Wochen damit zubringen, eine beträchtliche Krankenhausrechnung entstehen zu lassen) und der Erfüllung von Kaddus’ und Cruizells Forderung gegeneinander ab, wohl wissend, daß die wahrscheinlichste Folge – obwohl es auch eine Chance gab, daß ich nicht erwischt wurde und unverletzt und wieder zahlungsfähig aus der Sache hervorging – ein unappetitlicher und vermutlich langsamer Tod wäre, während ich den Sicherheitsbehörden bei ihren Ermittlungen dienlich wäre.
    Kaddus und Cruizell boten mir einen Erlaß meiner Gesamtschuld an und zusätzlich – nach Erledigung der Angelegenheit – eine ordentliche Summe obendrein, nur um zu zeigen, daß sie mir nicht mehr böse waren.
    Ich vermutete, sie rechneten nicht damit, daß sie letzten Endes die gesamten Kosten für die Durchführung der Unternehmung bezahlen mußten.
    Ich wußte also, was ich logischerweise zu tun hatte, nämlich ihnen zu sagen, sie sollten sich ihre
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