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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
Autoren: Petra Oelker
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Damenzimmer zurückgezogen, sitze hinter geschlossenen Vorhängen und spreche nicht mehr. Als Wilhelmine Grootmann die Rückreise in ihr frei gewähltes mediterranes Exil antrat, wurde sie von Lydia und Friedrich Grootmann begleitet. In der Stadt wurde eifrig spekuliert, ob und wann mit einer Heimkehr zu rechnen sei. Lydia würde nie zurückkehren, Friedrich immer nur für kurze Zeit.
    Auch Emma Grootmann ging auf Reisen, aber in eine andere Richtung der Windrose. Ihre Verlobung mit Valentin Levering wurde gelöst, sie war nun keine passende Partie mehr, und Emma fuhr unerkannt auf einem unbedeutenden Dampfer zu ihrem Bruder Amandus nach New York. Es hieß, sie habe ihre Kabine nur nach Mitternacht für einen kurzen Spaziergang an Deck verlassen. Später sollte sie mit Amandus und seiner Frau an das andere, das westliche Ende des amerikanischen Kontinents reisen, wo sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters von einunddreißig Jahren zu einer der ersten Frauen auf der noch stummen Kinoleinwand wurde. Ob sie glücklich war, ist nicht bekannt, es wurde aber allgemein angenommen.
    Ihr Bruder Felix war seiner Sozietät zuvorgekommen und hatte um sein Ausscheiden gebeten, was ihm umgehend gewährt wurde. Er fand selbst, eine Sozietät von Ehre konnte sich ein Mitglied der Familie Grootmann in ihren Reihen nicht erlauben. Zunächst begleitete er Emma über den Atlantik, reiste aber bald weiter nach Mittelamerika, wo ein Studienfreund an der Neuplanung des bankrotten Kanalprojekts von Panama beteiligt war. Später ließ Felix sich auf Sylt nieder, wo er schon viele Sommer verbracht hatte, und verdiente unter anderem mit dem Handel und der Verwaltung von Immobilien an der rasch wachsenden Gemeinde von wohlhabenden Sommergästen sein Brot und einiges mehr. Dort wurde der Skandal um seine Familie großzügig als die Grootmann-Turbulenzen bezeichnet. Es war die beste Reklame, die er bekommen konnte.
    Und Claire? Claire tat, was sie immer getan hatte, sie folgte ihrer Pflicht und hielt durch. Friedrich Grootmann hatte die Leitung des Handelshauses seinem Prokuristen – nun geschäftsführenden Kompagnon – übertragen, die Ehe mit der ältesten Tochter war da nichts Ungewöhnliches. Die Trauung fand in sehr kleinem Kreis in St. Gertrud auf der Uhlenhorst statt. Natürlich war es eine Vernunftehe, Claire war vermögend, aber keine Schönheit, nicht mehr jung und mit einem schmachvollen Skandal verbunden. Sie trug es mit Würde. Zur allgemeinen Überraschung war bald zu beobachten, dass die Blessings zwar sehr zurückgezogen lebten, aber glücklich. Das konnte nicht allein an Blessings Erfolg als hanseatischer Kaufmann liegen. Ihre beiden Töchter und drei Söhne wuchsen trotz des Makels, von dem die Familie auch unter dem Namen Blessing nie ganz frei wurde, zu fröhlichen Menschen heran. Nur der Zweitgeborene, Hartwig Blessing, starb jung, er fiel im Juli 1916 an der Somme.
    Christine von Edding-Thorau bereute lange, was sie ihren «Auftritt» bei den Grootmanns nannte, auch wenn es Felix’ Idee gewesen war und er sie dazu hatte überreden müssen. Die entsetzliche und entscheidende Auseinandersetzung mit Ernst hatte nicht zum Plan gehört. Es hatte sich so ergeben, als er sie bei der ersten unauffälligen Möglichkeit zornig aus dem Haus und durch den Garten führte, um sie von Brooks nach Hause fahren zu lassen. Sie hatte nie gedacht, dass sie Ernst Grootmann liebe, aber Denken und Lieben sind häufig unvereinbar. Hinter der honorigen Fassade hatte sie von Anfang an eine dunkle Facette, einen anderen Mann gespürt, erst das hatte ihn begehrenswert gemacht. Dass dieser Mann ein kaltblütiger Mörder war, entsetzte sie wie alle, die davon erfuhren, und stürzte sie für lange Zeit in tiefe Selbstzweifel. Seltsamerweise wurde ihre Liaison nie bekannt.
    Den Herbst und den Winter verbrachte die Baronesse bei ihrer Familie auf dem Landgut in Livland, doch schon im nächsten Frühjahr übersiedelte sie nach Paris. Sie war ein großes Talent und arbeitete unermüdlich, es gab Verkäufe, Aufträge, Teilnahme an Ausstellungen. Aber es sollte ihr gehen wie den meisten Künstlerinnen auch ihrer Zeit, sie blieb im Schatten ihrer männlichen Kollegen und wurde von der Kunstwelt vergessen.
    Kriminalkommissar Paul Ekhoff nahm die Anerkennung für die Aufklärung der beiden Morde mit echter Bescheidenheit entgegen, was ihm weiteren Respekt einbrachte. Nur Martha wusste, dass er nie ganz sicher war, ob er tatsächlich einen Doppelmörder zur
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