Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
Lydia Grootmann in der Tür, Hetty fand sie heute besonders schön. In ihren oft müden Augen lag etwas sanft Strahlendes. Das Essen lasse leider noch ein wenig auf sich warten, wirklich nur ein wenig, ein kleines Missgeschick in der Küche, es sei schon behoben. Sie bitte noch um eine Viertelstunde Geduld und empfehle so lange den Blick aus den Terrassentüren über den See, auch der Sternenhimmel sei heute wieder prächtig. Es wurde gelacht, noch mehr Champagner getrunken, und die ohnehin gute Stimmung gedieh weiter.
    Hettys Augen suchten Christine. Die lauschte lächelnd und mit geneigtem Kopf Molly Cramer, es sah so aus, als würden sie einander kennen. Vielleicht hatten die Schwestern Cramer eines von Christines Bildern für ihre Avantgarde-Galerie gekauft, von Freunden auch scherzhaft als Schreckenskammer bezeichnet, vielleicht war sie Gast in ihrem Haus gewesen – und jetzt fiel Hetty ein, dass sie bei Christines Besuch deren eigene Bilder nicht entdeckt hatten. Nicht einmal das gerahmte von der Schelde, das sie sicher leicht wiedererkannt hätte. Es musste sie gekränkt haben. Sie kannte Christine von Edding kaum, wenn man genau nachrechnete, nur einige Stunden, und sie war sehr anders als sie selbst, trotzdem fühlte sie sich ihr nun verbundener als den meisten Mitgliedern ihrer Familie.
    Sie sah sich nach Mary um, Ernsts Frau war noch da – in einem angeregt plaudernden Kreis. Sie sah dennoch einsam aus, wie sie inmitten der Freunde der Grootmanns stand und eine schöne, Unabhängigkeit ausstrahlende Frau anstarrte, die sie nicht kennen konnte. Oder durfte. Niemand außer Hetty schien zu beachten oder auch nur zu bemerken, wie Mary sich mit einer höflich gemurmelten Entschuldigung umdrehte und den Raum verließ. Hetty sah ihr noch nach, als sie durch die Tür des Wintergartens verschwand. Sicher nur, um Kraft zu sammeln.
    Auch wenn sie nicht wusste, warum Ernsts Frau sich in seiner Familie so verloren fühlte, verstand sie Mary in diesem Moment gut und fühlte auch ihre Traurigkeit.
    Es war ein Fehler gewesen, herzukommen. Sie hatte sich nach Heiterkeit gesehnt, nach dem einfachen Geplauder an einem schönen Abend, nach Freunden und Geborgenheit. Aber sie schaffte es nicht, noch nicht. Grand-mère hatte bei der Begrüßung gesagt, sie wolle sie später sprechen (Claire hatte angedeutet, die alte Dame wolle ihre verwaiste und verwitwete junge Verwandte nach Nizza mitnehmen), am besten, wenn sich die Herren nach dem Dinner ihren Zigarren widmeten, eine äußerst unerfreuliche Sitte übrigens, sie selbst könne daran absolut keinen Gefallen finden, der Geschmack sei widerlich.
    Sie konnte das Fest nicht einfach verlassen, sie musste zumindest bis nach dem Essen bleiben, aber sie konnte sich für ein paar Minuten der allgemeinen Fröhlichkeit entziehen. Die Temperatur im Salon war mit der Menge der Gäste gestiegen, Hetty fühlte sich ein wenig benommen. Zwei hastig gegen die Traurigkeit geleerte Gläser Champagner vor dem Essen – daran war sie nicht gewöhnt. Frische Luft, dachte sie vernünftig, ein kleiner Spaziergang durch den nächtlichen Garten und der von Lydia empfohlene Blick in die Sterne würden ihr guttun, nur einige Schritte, so weit das Licht vom Haus noch die Richtung wies. Falls sie sich verlief, fände sie allerdings niemand – in ihrem schwarzen Kleid war sie in der Dunkelheit tatsächlich unsichtbar.
    Wie sie angenommen hatte, war niemand im Gartenzimmer, auch auf dem Hof mit der gekiesten Auffahrt war es still. Sie ging am Rosenrondell vorbei, setzte sich bei der Hainbuchenhecke auf einen der Gartenstühle und lauschte in die Nacht. Ein Alsterdampfer tutete, über eine der Villenstraßen rollte eine Kutsche, es raschelte im Unterholz, sicher ein Igel, die Remise war nah, trotzdem war von den Pferden nichts zu hören. Alles war friedvoll.
    Bis sich leise, aber heftige Stimmen näherten.
    «Hör auf, das ist kein Spaß. Du kannst mich jetzt nicht einfach in die Kutsche setzen und wegschicken. Was willst du deiner Familie und den Gästen sagen? Ich will jetzt eine Erklärung. Sonst schreie ich. Also! Ich habe zweimal für dich Rohdiamanten nach Riga gebracht. Versteckt in meinen Dessous. Es war ein kleines aufregendes Abenteuer. Hab ich es nur mit Glück überlebt? Winfield hatte genau solche in der Tasche, als er getötet wurde.»
    «Was!? Woher weißt du das?» Das war die Stimme eines Mannes, kaum hörbar, trotzdem klar. Und zornig.
    «Von seiner Witwe. Sie hat sie für eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher