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Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Titel: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
Autoren: Tony Attwood
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Veränderung in den Erwartungen am Arbeitsplatz. Das kann etwa die Beförderung auf einen Vorgesetztenposten sein, der zwischenmenschliche Fähigkeiten erfordert oder die Übertragung von Verantwortlichkeiten, zu denen auch Planungs- und Organisationsfähigkeiten gehören, die bei manchen Erwachsenen mit Asperger-Syndrom kaum vorhanden sind. Auch die Nichteinhaltung vorgegebener Verfahrensweisen, Probleme mit dem Zeithaushalt und fehlender Respekt vor der organisatorischen Hierarchie können ein Thema werden.

Warum eine Diagnose einholen?
    Das Kind mit Asperger-Syndrom wird sich in jungen Jahren noch nicht bewusst sein, dass es anders ist als gleichaltrige Kinder. Den Erwachsenen und den anderen Kindern dagegen wird es zunehmend auffallen, dass dieses Kind sich nicht wie andere Kinder verhält, wie sie denkt oder spielt. Der erste Gedanke von Erwachsenen ist dann vielleicht, dass sich das Kind bewusst ungezogen und egoistisch verhält, während die Kinder vielleicht denken, dass dieses Kind eben einfach etwas komisch ist. Wenn es für dieses Verhalten keine Diagnose oder Erklärung gibt, werden andere moralische Urteile fällen, die auf das Selbstwertgefühl des Kindes eine negative Wirkung haben und die zu unangemessenen Einstellungen führen werden. Das Kind wird nach und nach erkennen, dass es die Welt auf eine ungewöhnliche Weise wahrnimmt. Das betrifft nicht nur die unterschiedlichen Interessen, Prioritäten und den unterschiedlichen sozialen Wissensstand, sondern auch die häufige Kritik an dem Kind durch Gleichaltrige und Erwachsene. Normalerweise wird dem Kind mit Asperger-Syndrom etwa im Alter von sechs bis acht Jahren klar, dass es anders als andere ist.
    Das Kind kann daraufhin Denkweisen und Ansichten entwickeln, mit dem es das Gefühl, ausgegrenzt, sozial isoliert und unverstanden zu sein, kompensiert.
    AUS DEM LEBEN
    »Die anderen machen mir Angst und verwirren mich«
    Claire Sainsbury war etwa acht Jahre alt:
    »Dies ist eine meiner lebhaftesten Erinnerungen an meine Schulzeit; ich stehe, wie üblich, in einer Ecke des Schulhofs, so weit wie möglich entfernt von anderen Kindern, die mich umrempeln oder anschreien könnten, ich starre in die Luft und bin ganz in meine Gedanken versunken. Ich bin acht oder neun Jahre alt und langsam wird mir klar, dass ich in einer unsagbaren, aber durchdringenden Art und Weise anders war.
    Ich verstehe die Kinder um mich herum nicht. Sie machen mir Angst und verwirren mich. Sie wollen mit mir nicht über interessante Dinge reden. Ich dachte damals immer, dass sie eben dumm waren, aber inzwischen begreife ich allmählich, dass etwas mit mir selbst nicht stimmte.« 25

Kompensations- und Anpassungsstrategien
    Ich have vier Kompensations- oder Anpassungsstrategien ausgemacht, die von Kindern mit Asperger-Syndrom als Reaktion auf die Erkenntnis, dass sie anders sind als andere Kinder, entwickelt werden. Die verwendete Strategie hängt von der Persönlichkeit des Kindes, seinen Erfahrungen und Lebensumständen ab.
Jene Kinder, die dazu neigen, Gedanken und Gefühle zu internalisieren, entwickeln meist Anzeichen von Selbstschuldzuweisung und Depressionen oder
sie nutzen stattdessen ihre Fantasie und ein vorgestelltes Leben, um sich eine andere Welt auszumalen, in der sie erfolgreicher sind.
Jene Kinder, die Gedanken und Gefühle eher externalisieren, können entweder arrogant werden und andere für ihre eigenen Schwierigkeiten verantwortlich machen, oder
sie sehen andere nicht als die Ursache, sondern als die Lösung für ihre Probleme und entwickeln die Fähigkeit, andere Kinder und Charaktere nachzuahmen.
    Einige psychologische Reaktionen können also konstruktiv sein, während andere zu erheblichen psychologischen Problemen führen können.
Reaktive Depression
    Soziale Fähigkeiten und die Fähigkeit, Freundschaften zu knüpfen, werden von Gleichaltrigen und Erwachsenen hoch bewertet. In diesen Bereichen nicht erfolgreich zu sein, kann dazu führen, dass manche Kinder mit Asperger-Syndrom ihre Gedanken und Gefühle internalisieren, indem sie sich zu besonderer Rechtfertigung genötigt fühlen oder selbstkritisch reagieren und sich zunehmend sozial zurückziehen. Das Kind kann dann, zum Teil bereits im Alter von sieben Jahren, als Reaktion auf die Erkenntnis, dass es anders ist, und wenn es sich selbst als sozial minderwertig begreift, eine Depression entwickeln. Intellektuell hat das Kind die Fähigkeit, seine soziale Isolation zu erkennen, doch es fehlt ihm an sozialen
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