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Ein Feuer Auf Der Tiefe

Ein Feuer Auf Der Tiefe

Titel: Ein Feuer Auf Der Tiefe
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Anscheinend gehören die Fahrer überall im Jenseits zum Üblichen. Wir brauchen sie, um mit ihnen zu reden. Wir müssen herausfinden, ob sie so viel Freude machen, so nützlich sind, wie die Zweibeiner. Selbst wenn das Risiko zehnmal so groß wäre, wie es den Anschein hat, würde ich noch wollen, dass der Wunsch dieser Skrodfahrerin erfüllt wird.«
    »Ja. Wenn wir alles sein wollen, was wir sein können, müssen wir mehr wissen. Wir müssen ein paar Risiken eingehen.« Sie blieb stehen, alle Augen in einer Geste der Überraschung auf Wanderer gerichtet. Unvermittelt lachte sie auf.
    »Was ist?«
    »Etwas, woran wir schon früher gedacht haben, lieber Wanderer, aber jetzt sehe ich, wie wahr es ist. Du bist gerade ein bisschen dabei, schlaue Pläne zu schmieden. Ein guter Staatsmann und Planer für die Zukunft.«
    »Aber immer noch mit den Zielen eines Pilgers.«
    »Gewiss… Und ich, also ich kümmere mich nicht mehr so vollkommen um Pläne und Sicherheit. Eines Tages werden wir die Sterne besuchen.« Ihre Welpen wippten ihm einen freudigen Gruß zu. »Ich habe jetzt auch ein wenig von einem Pilger in mir.«
    Sie ließ sich auf alle Bäuche sinken und kroch über den Boden auf ihn zu. Langsam zerfloss das Bewusstsein in einem Nebel von Liebeslust. Ihre letzten Worte, an die sich Wanderer erinnerte, waren: »Was für ein wundersames Glück: dass ich alt geworden war und neu werden musste, und dass du genau die nötige Veränderung warst.«
     
    Wanderers Aufmerksamkeit wandte sich wieder der Gegenwart und Ravna zu. Die Frau lächelte ihn noch immer ironisch an. Sie streckte eine Hand aus, um einen seiner Köpfe zu streicheln. »Fürwahr mittelalterliche Gemüter.«
    Sie saßen noch ein paar Stunden im Schatten der Farne und sahen zu, wie die Flut herein kam. Die Sonne senkte sich auf ihrer nachmittäglichen Bahn – sie stand noch immer so hoch, wie die Mittagssonne in Holzschnitzerheim jemals sein konnte. In gewisser Weise waren die Eigenschaften des Lichts und der Sonnenbewegung die seltsamsten Dinge an dem Bild. Die Sonne stand so hoch und sank derart rasch, ohne wie an arktischen Nachmittagen langsam schräg abwärts zu gleiten. Er hatte schon fast vergessen, wie es im Land der Kurzen Dämmerung war.
    Jetzt befand sich die Brandung dreißig Ellen landeinwärts von der Stelle, wo sie die Fahrerin zurückgelassen hatten. Die Mondsichel folgte der Sonne zum Horizont hin; das Wasser würde nicht weiter steigen. Ravna stand auf und schirmte die Augen gegen die sinkende Sonne ab. »Zeit für uns zu gehen, glaube ich.«
    »Du meinst, sie wird in Sicherheit sein?«
    Ravna nickte. »Grünmuschel hatte genug Zeit, um mögliche Gifte und die meisten Raubtiere zu bemerken. Außerdem ist sie bewaffnet.«
    Mensch und Klauenwesen machten sich auf den Weg zum Kamm des Atolls, an den höchsten Farnen vorbei. Wanderer hielt ein Augenpaar auf das Meer hinter ihnen gerichtet. Die Brandung war jetzt an Grünmuschel vorübergegangen. Ihre Stelle wurde noch von tiefem Wasser überspült, lag aber jenseits von Gischt und sprühendem Wasser. Zum letzten Mal sah er sie im Wellental hinter einem Brecher: Die Glätte der See wurde für einen Augenblick von zweien ihrer größten Wedel durchbrochen, deren Spitzen sich sanft wiegten.
    *
    Der Sommer nahm sanft Abschied von dem Land um die Verborgene Insel. Es gab etwas Regen und keine Heidefeuer mehr. Trotz Krieg und Dürre würde es sogar eine Ernte geben. Jeden Tag verkroch sich die Sonne tiefer hinter den nördlichen Bergen, eine Zeit der Dämmerung, die von Woche zu Woche anwuchs, bis es um Mitternacht wirklich dunkel wurde. Und Sterne kamen.
    Es war eine Art Zufall, dass in der letzten Nacht des Sommers so viele Dinge zusammentrafen. Ravna ging mit den Kindern hinaus auf die Felder an der Schiffsburg, um den Himmel zu betrachten.
    Hier gab es keine städtische Dunstglocke, nicht einmal raumnahe Industrie. Nichts, was den Anblick des Himmels getrübt hätte, abgesehen von einem feinen rosa Schein im Norden, der ein Rest Dämmerung sein mochte – oder Nordlicht. Die vier setzten sich auf das kühle Moos und schauten sich um. Ravna atmete tief durch. In der Luft gab es keine Spur von Asche mehr, nur noch saubere Kühle, ein Vorgeschmack des Winters.
    »Der Schnee wird so hoch wie deine Schultern liegen, Ravna«, sagte Jefri, begeistert von der Möglichkeit. »Es wird dir gefallen.« Der fahle Fleck, der sein Gesicht war, schien hin und her über den Himmel zu blicken.
    »Es kann schlimm
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