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Ein Feuer Auf Der Tiefe

Ein Feuer Auf Der Tiefe

Titel: Ein Feuer Auf Der Tiefe
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dem Menschen.
    Ravna schaute zu Pilger auf und machte eine Geste, die ›in Ordnung‹ bedeutete. Dann hockte sie sich einen Moment lang hin, an den Skrod geklammert, um nicht weggerissen zu werden. Die Brandung schlug über den beiden zusammen und verdeckte alles außer Grünmuschels emporragenden Wedeln. Als die Gischt zurückwich, sah er, dass die unteren Wedel sich über den Rücken des Menschen breiteten, und hörte ein Summen des Voders, das in all dem anderen Lärm nicht recht zu verstehen war.
    Der Mensch stand auf und stapfte durch das hüfttiefe Wasser auf die von Wanderer besetzten Felsen zu. Wanderer hielt sich an sich selbst fest und langte hinab, um Ravna ein paar Pfoten zu reichen. Sie kletterte über grünen Schleim und weiße Korallen herauf.
    Er folgte dem humpelnden Zweibeiner bis zu der Stelle, wo die tropischen Farne am höchsten wuchsen. Im Schatten machten sie Halt, sie setzte sich hin und lehnte den Rücken gegen die Matte, die das Stammgeflecht eines Farns bildete. Mit den Schnitt- und Schürfwunden sah sie fast so verletzt aus, wie Johanna nur jemals ausgesehen hatte.
    »Bist du in Ordnung?«
    »Ja.« Sie fuhr sich mit den Händen durch das zerzauste Haar. Dann schaute sie ihn an und lachte. »Wir sehen beide wie Verunglückte aus.«
    Hm, ja. Ziemlich bald würde er ein Bad in frischem Wasser brauchen. Er blickte sich um und nach draußen. Vom Kamme des Atollrings konnten sie Grünmuschels Nische sehen. Ravna schaute ebenfalls dort hinab; die kleinen Verletzungen waren vergessen.
    »Wie kann ihr die Stelle bloß gefallen?«, wunderte sich Wanderer. »Stell dir vor, wie das Wasser auf dich einschlägt, wieder und wieder und wieder.«
    Ein Lächeln lag auf Ravnas Gesicht, aber sie hielt den Blick auf die Brandung gerichtet. »Es gibt seltsame Dinge im Weltall, Pilger; ich bin froh, dass du von manchen noch nie etwas gelesen hast. Wo die Brandung auf den Strand trifft – eine Menge hübsche Sachen können da passieren. Du hast all das Leben gesehen, das in diesem Wahnsinn schwimmt. So, wie eine Pflanze die Sonne liebt, gibt es Geschöpfe, die die Energiedifferenz unten an dieser Uferkante zu nutzen wissen. Dort haben sie die Sonne und die Brandung und den Reichtum der Suspension… Trotzdem könnten wir noch eine Weile aufpassen.« Zwischen jedem Hereinströmen der Wellen sahen sie Grünmuschels Wedel. Er wusste schon, dass diese Gliedmaßen nicht kräftig waren, doch jetzt begriff er, dass sie sehr fest sein mussten. »Mit ihr wird alles in Ordnung sein, obwohl dieser billige Skrod vielleicht nicht lange hält. Am Ende hat die arme Grünmuschel vielleicht überhaupt keine Automatik mehr – sie und ihre Kinder, die geringsten von allen Fahrern.«
    Ravna wandte sich um und schaute das Rudel an. Noch immer lag jenes Lächeln auf ihrem Gesicht. Ungewiss, aber zufrieden? »Du kennst das Geheimnis, von dem Grünmuschel gesprochen hat?«
    »Holzschnitzerin hat mir erzählt, was sie von dir erfahren hat.«
    »Ich bin froh – und überrascht –, dass sie Grünmuschel erlaubt hat, hierherzukommen. Mittelalterliche Gemüter – Verzeihung, fast alle Gemüter – würden eher töten wollen, als mit dergleichen auch nur das mindeste Risiko einzugehen.«
    »Warum hast du es denn dann der Königin gesagt?«
    »Es ist eure Welt. Ich war es müde, mit dem Geheimnis Gott zu spielen. Und Grünmuschel war einverstanden. Wenn sich die Königin geweigert hätte, hätte Grünmuschel immer noch eine Kältezelle auf der ADR benutzen können.« Um wahrscheinlich für immer zu schlafen. »Aber Holzschnitzerin hat sich nicht geweigert. Irgendwie hat sie begriffen, was ich sagte: Es sind die echten Skrods, die pervertiert werden können, doch Grünmuschel hat keinen solchen mehr. In einem Jahrzehnt wird das Ufer dieser Insel von Hunderten von jungen Fahrern besiedelt sein, aber ohne Erlaubnis der Einheimischen würden sie sich niemals über diese Inselgruppe hinaus ausbreiten. Das Risiko ist verschwindend gering – trotzdem war ich überrascht, dass sich Holzschnitzerin darauf eingelassen hat.«
    Wanderer ließ sich rings um Ravna nieder; nur ein Augenpaar beobachtete noch die Wedel der Fahrerin unten in der Gischt. Am besten wäre jetzt eine Erklärung. Er reckte einen Kopf Ravna entgegen. »Oh, wir sind mittelalterlich, Ravna – obwohl wir uns jetzt rasch verändern. Wir haben Blaustiels Mut im Feuer bewundert. Das verdient Belohnung. Und mittelalterliche Typen sind an Hofintrigen gewöhnt. Was also, wenn das
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