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Ein Fall für Al Wheeler

Ein Fall für Al Wheeler

Titel: Ein Fall für Al Wheeler
Autoren: Carter Brown
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nachzugeben, und sie schwankte
nach vorn, knickte in der Mitte ab wie ein Taschenmesser, verlor das Gleichgewicht
und stürzte ab. Ich versuchte verzweifelt, ihren Knöchel zu packen und
verfehlte ihn um nicht viel mehr als zehn Zentimeter, wobei ich selber
gleichzeitig das Übergewicht bekam. Nur Lavers eiserner Griff um meine Knie rettete mich davor, aus dem Fenster zu stürzen.
    Es konnte nicht mehr als zwei
oder drei Sekunden gedauert haben, bis sie vierzehn Stockwerke tiefer auf dem
Gehsteig aufschlug. Aber noch lange hinterher hallte in meinem Ohr der Laut
nach, von dem der Aufschlag begleitet war — ein halbes Stöhnen, ein halbes
Schreien, wie ein Urlaut aus den Wäldern, als es noch
keine Menschen gab.
    Gegen halb zehn Uhr am nächsten
Morgen kam ich ins Büro, und Annabelle Jackson — die Sekretärin des Sheriffs
und der wahrscheinlichste Grund, daß ich einmal den Verstand verlieren werde —
hob ihr blondes Haupt und lächelte glücklich, so als ob ich mir eben ein Bein
gebrochen hätte oder dergleichen.
    »Doktor Murphy ist im
Augenblick beim Sheriff«, sagte sie mit ihrem weichen südlichen Akzent. »Sie
warten beide auf Sie, Lieutenant, und ich glaube, Sie tun gut daran, ein Alibi
bereitzuhalten .«
    »Reizend von Ihnen, mein Honigtröpfchen , daß Sie mir diesen Tip geben«, sagte ich dankbar. »Irgendwann in nächster Zeit werde ich Ihnen den
großen Gefallen tun und frühzeitig meine letzte Ruhestätte aussuchen, so daß
Sie darauf spucken können, wann immer Sie das Bedürfnis haben .«
    »Ich weiß, daß Sie nur Spaß
machen, Lieutenant«, sagte sie liebenswürdig. »Wer wird Sie schon beerdigen?
Doch höchstens die städtische Müllabfuhr!«
    Das war ein ernüchternder
Gedanke, und ich beschäftigte mich mit ihm, bis ich ins Büro des Sheriffs trat
und ich, dem Ausdruck in Lavers Gesicht nach zu
schließen, gut daran tat, an andere Dinge zu denken.
    »Setzen Sie sich, Wheeler«,
brummte er. »Wir werden vielleicht eine Weile brauchen, bis wir fertig sind .«
    Ich setzte mich in einen der
Besucherstühle und blickte Doc Murphy an, und er blickte zu mir zurück, und so
blickte ich, um die Monotonie zu durchbrechen, den Sheriff an, worauf sich das Ringelreihen wiederholte.
    »Worauf warten wir ?« sagte ich schließlich kühn. »Auf eine Überraschung?«
    »Patty Keller«, sagte Lavers . »Das Mädchen, das gestern
nachmittag von diesem Mauervorsprung am Hotel hinuntersprang.«
    »Sie sprang nicht — sie fiel«,
berichtigte ich ihn. »Sie wollte eben zurückkommen, als ihr schwindlig wurde
und...«
    »Das haben Sie gestern schon
gesagt«, unterbrach er mich grob. »Ich dachte, das sei die übliche Wheelersche Reaktion gewesen. Welches weibliche Wesen kann
angesichts eines solchen mit allen Vorzügen der Natur ausgestatteten männlichen
Exemplars, das sich um es bemüht, schon Selbstmord begehen ?«
    »Sie sind eifersüchtig,
Sheriff«, unterbrach ich ihn mit derselben Unverfrorenheit. »Nur weil Sie fett
geworden sind und...«
    »Schon gut!« Er biß das Ende
seiner Zigarre ab und rammte sich dann das schwarze Ding in den Mund. »Das war
gestern — inzwischen hat Doktor Murphy seine Autopsie beendet .«
    »Sie fiel vierzehn Stockwerke
hinunter auf einen betonierten Gehsteig und Sie benötigen eine Autopsie, um die
Todesursache festzustellen ?« sagte ich verwundert.
    »Warum denken Sie nicht einmal
scharf nach, Lieutenant ?« fragte Murphy liebenswürdig.
»Warten Sie mal ab, ob Ihnen nicht selbst eine intelligente Antwort auf diese
Frage einfällt. Sie sagten, sie sei schwindlig geworden und deshalb
hinuntergefallen. Denken Sie einmal ein bißchen weiter, ja — nur mir zu
Gefallen .«
    »Wie komme ich dazu, dem Freund
des Leichenbestatters einen Gefallen zu tun ?« sagte
ich. »Sie schob sich eben in Richtung des Fensters zurück, als sie plötzlich
stöhnte — ihr Gesicht war verzerrt, als ob sie einen Krampf hätte. Dann gaben
ihre Knie nach, sie klappte zusammen und verlor das Gleichgewicht. Mehr war da
nicht .«
    Murphy blickte zum Sheriff
hinüber und nickte weise. »Es paßt alles zusammen .«
    »Sie beide sind wirklich
reizend«, sagte ich kalt. »Von mir aus können Sie ruhig noch weiter in Rätseln
reden .«
    »Sie fragte immer wieder, wieviel Uhr es sei — ja ?« bohrte Lavers nach.
    »Ja«, brummte ich. »He — da
fällt mir gerade ein, als ich ihr sagte, es sei drei Uhr, änderte sie plötzlich
ihre Absicht, was den Aufenthalt auf dem Mauervorsprung anbelangte — und
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