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Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Titel: Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)
Autoren: Susann Pásztor
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sein, dass ich was Interessantes verpasst habe?«, fragte Hannah und nahm Gabor das Handy wieder ab, klappte es zusammen und verstaute es in ihrer Handtasche, wo es sofort wieder zu klingeln begann. Es war die Titelmelodie von »Spiel mir das Lied vom Tod«. Ich musste noch mehr lachen, während meine Mutter die Augen verdrehte, aber Hannah blieb völlig ungerührt und zog mich an sich. Für eine Weile tauchte ich ein in die wunderbare Welt zwischen Hannahs riesigen, weichen Brüsten, in der ich mich noch geborgener fühle, seit ich sicher weiß, dass meine auf keinen Fall so groß werden. Solange es Hannahs sind, ist alles gut. Das gilt auch für ihre laute Stimme und ihre roten Haare, die wie explodierte Stahlwolle aussehen und sich auch so anfühlen. Für mich ist Hannah kein Fels in der Brandung, sondern ein rotes Rettungsboot, das oft bedenklich auf und nieder tanzt, aber niemals untergehen wird.
    »Bereust du etwa schon, dass du mitgekommen bist?«, fragte Hannah und ließ mich wieder auftauchen, und ich schüttelte meinen Kopf und wollte ihr gerade den Bären zeigen, als ihr Telefon wieder zu plärren begann. Hannah holte es hervor, warf einen Blick auf das Display, seufzte und schaltete es aus. Es war schwer zu sagen, ob sie wegen des Anrufers seufzte oder weil sie das Gespräch nicht annehmen konnte, aber es sah ziemlich romantisch aus. Dann ging sie hinüber zu meiner Mutter, die etwas abseits stand mit einer senkrechten Stirnfalte wie ein Ausrufezeichen.
    »Schau nicht so finster, große Schwester«, sagte Hannah gut gelaunt. »Ich verspreche dir, mein Handy bleibt das ganze Wochenende aus. Und ja, die Melodie ist natürlich völlig daneben. Ich hätte auch jüdische Klingeltöne zur Auswahl. Was hältst du von ›Hava Nagila‹?«
    »Echt?«, fragte ich. »Es gibt jüdische Klingeltöne fürs Handy?«
    »Optional mit Davidstern oder Menorah als Hintergrundbild«, antwortete Hannah.
    »Dann wäre ja wenigstens schon mal dein Handy konvertiert«, sagte meine Mutter.
    »Ein jüdisches Handy ist doch ein guter Anfang«, sagte Hannah.
    Ich wollte Gabor fragen, was denn nun eigentlich mit diesem Bären los sei, aber dann sah ich ihm lieber dabei zu, wie er zusah, wie meine Mutter und Hannah sich umarmten. Sein Gesicht war ausdruckslos und starr. Meine Mutter sagt manchmal, Hannah und sie wären wie Dick und Doof, aber ich finde, dass sie eher Watson und Holmes sind. Was Gabor fand, als er die beiden beobachtete, konnte man nur vermuten. Ich tippte auf blankes Entsetzen.
    »Gehen wir?«, fragte Hannah. Ich steckte den Bären, dem man seine vermeintlichen Misshandlungen gar nicht ansah, vorsichtig in meinen Rucksack und folgte den anderen in Richtung Ausgang.

2
    UNSERE WEGE TRENNTEN SICH gleich nach dem Einchecken im Hotel. Hannah sagte, sie müsse noch ein paar dringende Anrufe erledigen, bevor sie ihr Telefon endgültig ausschalten könnte, Gabor sagte gar nichts, und auch meine Mutter schien es nicht besonders eilig mit dem offiziellen Beginn unseres Memorial-Wochenendes zu haben. Mich fragte keiner, und wir verabredeten uns zum Abendessen in zwei Stunden beim Italiener direkt bei unserem Hotel. Gabor hatte sein Zimmer neben unserem, aber er wollte lieber die Treppe hochlaufen, statt mit uns den Fahrstuhl zu nehmen, obwohl er das natürlich nicht so direkt sagte. Als wir ausstiegen, sahen wir ihn gerade noch in seinem Zimmer verschwinden. Meine Mutter hob die rechte Augenbraue, was sie wirklich gut kann, aber sie sagte erst was, nachdem sie unsere Zimmertür hinter sich geschlossen hatte.
    »Dieser Typ hat mich all die Jahre, solange ich ihn kannte, von morgens bis abends zugetextet. Wieso sagt der auf einmal nichts mehr?«
    Mir fiel keine Antwort darauf ein, aber ich glaube, sie rechnete auch mit keiner.
    »Ich habe wirklich im ersten Moment gedacht, auf dem Bahnsteig stünde Joschi. Findest du echt, wir sehen uns ähnlich? Und pass gut auf, was du jetzt antwortest.«
    Zurückrudern ging nicht, das hätte sie mir nicht abgenommen, also blieb nur der Kollisionskurs. »Ich glaube, wenn du die gleiche Brille aufsetzen und dich neben ihn stellen würdest, könnte man euch nicht mehr voneinander unterscheiden.«
    Meine Mutter kniff die Augen zusammen und wackelte mit dem Kopf hin und her. »So vielleicht?«
    »Genau so«, sagte ich. »Aber natürlich bist du viel schöner als er.«
    »Ist schon gut, ich werde dich nie wieder danach fragen«, sagte meine Mutter und warf einen Blick ins Bad. Was sie dort sah,
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