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Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Titel: Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie
Autoren: C.H.Beck
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trösten, dass es nichts ausmachte, denn es machte durchaus etwas aus, ich musste meine Finanzen aufbessern.Meine Musiktruhe mit Plattenspieler wollte ich Frank schenken, doch er bestand darauf, dass ich sie verkaufte; doch ein weiterer hartgesichtiger Ladenbesitzer gab mir nur zehn Pfund dafür, und ich schenkte die Schallplatten meiner Schwester. Dann, wunderbarerweise, sandte ein «anonymer Spender», hinter dem ich richtigerweise Charles Brasch vermutete, fünfzig Pfund an Frank, «damit Janet sich Kleidung für die Reise kaufen kann». Überraschenderweise war nun ich die Spartanerin, die beharrlich behauptete, fünfzig Pfund seien zu kostbar, um sie für «bloße Kleidung» zu verschwenden. Dennoch nahm ich wieder die Fähre nach Auckland, wo ich hoffte, meinen neuen olivgrünen Mantel von
Mademoiselle Modes
zu verkaufen. Bestimmt, dachte ich und erinnerte mich dabei an die Mühe, die es gekostet hatte, die zehn Pfund zu sparen, und an das Vergnügen, den Mantel zu kaufen, bestimmt ist er etwas wert.
    «Zwei Shilling und nicht mehr», sagte die Verkäuferin.
    Ich beschloss, ihn lieber zu behalten, als zu sehen, wie er auf einen Haufen abgewetzter und ausgebeulter ausrangierter Kleidung in dem schmuddeligen, nach Schweiß und Mottenkugeln riechenden Laden geworfen wurde.
    Dann wollte ich meine eigenen Pläne für meine Reise machen und kaufte einen alten
Fodor-Europaführer
, den ich in die Baracke mitnahm, ohne ihn Frank zu zeigen, weil er mich vielleicht für verschwenderisch gehalten hätte. Während ich den Führer las, wurde ich noch verstörter, verwirrter, aufgeregter und bestürzter. War es wirklich so, wenn man nach Übersee reiste? Der Führer war zum Bersten voll mit Informationen, die alle als wichtig dargestellt wurden, der Großteil davon eine Aufzählung von allem, was man wo kaufen sollte, Details über die preisgünstigsten Leder-, Seiden- und Wollwaren,über vorteilhafte Angebote an Pelzen, Porzellan und Schmuck, mit den Namen der Geschäfte, der Städte, der Länder, wo die Waren zu haben waren, in der offensichtlichen Annahme, alle Reisenden seien Händler auf der Suche nach Gelegenheitskäufen. Der Führer enthielt auch Rubriken mit Sehenswürdigkeiten, die man sich ansehen sollte – Museen, Galerien, Kathedralen; Rundreisen; Kleidung, die man für die Rundreisen benötigte; und schließlich noch
Nützliche Wörter und Redewendungen in vielen Sprachen
(was ich rasch erledigte, indem ich die Seiten herausriss und sie auf einen Karton klebte, den ich auf meiner Reise zu Rate ziehen wollte).
    Ich befasste mich eingehend mit den Empfehlungen für Kleidung. Wenn man ins winterliche Europa reiste, so betonten die Bücher, dann sollte man einen dicken Mantel mit warmem, abknöpfbarem Futter tragen, das auch als Hausmantel verwendbar war.
    Umgehend kaufte ich vier Meter billigen Flanell, blaugrau gestreift, und versuchte erfolglos, ein Mantelfutter einzunähen; das Ergebnis bauschte sich und «fiel» nicht richtig und kam teilweise unter meinem Mantel zum Vorschein. Im Army Shop kaufte ich einen Rucksack aus grünem Segeltuch, eine Armeepfanne mit zusammenklappbarem Stiel und drei kleine Leinensäckchen, ähnlich den Säckchen für Kindermurmeln, zur Verwendung als Geldsäckchen. Frank hatte gemeint, ein Rucksack sei besser als ein Koffer. Seine Freunde hatten mich daran erinnert, dass man immer einen
Seemannskoffer
mitnahm, wenn man zu Schiff reiste. Wie unterprivilegiert war ich, fragte ich mich, dass ich nicht einmal einen Seemannskoffer besaß?
    Meine Besuche bei meiner Schwester in Northcote brachten mir gleichfalls gute Ratschläge ein. Als die englischeFreundin meiner Schwester hörte, dass ich in Clapham Common wohnen wollte, starrte sie mich voll Entsetzen an.
    «Clapham? Auf keinen Fall! Ich würde es nicht empfehlen. Es ist schrecklich
urban
, so
urban
», sagte sie, wobei sich ihre Gefühle auf das Wort
urban
konzentrierten. Ich fragte mich, ob ich die Bedeutung von urban vielleicht missverstand, ob es heutzutage mehr bedeutete als «städtisch».
    «Was meinen Sie mit urban?»
    «Verstehen Sie,
urban
. Fabriken und so weiter.»
    Von diesem Augenblick an hatte ich meine Vorstellung von der Gegend, wo ich in London wohnen würde. Ich sah eine menschenleere Straße mit aneinandergereihten Fabriken, riesigen Gebäuden wie Flughäfen, jedes mit einer kleinen grauen Tür, die sich zur Straße hin öffnete. Mein Gartenzimmer würde sich zwischen zwei Fabriken befinden, in einer engen Gasse,
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