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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition)
Autoren: John Marsden
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unter Haufen von Rinde, Blättern und Zweigen, aber wenn wir ihn unter den Bäumen suchten, fanden wir ihn jedes Mal wieder. Er führte uns immer wieder zu den Satansstufen zurück, so dass wir für ein paar Meter die hohen Granitwände streiften. Einmal verlief er zwischen zwei der Stufen und führte auf der anderen Seite weiter: Der Spalt war nur zwei Meter breit und wirkte beinahe wie ein Tunnel durch die massiven Felsbrocken.
    »Für die Hölle ist es wirklich sehr hübsch«, sagte Fi zu mir, während wir uns in dem Felsspalt ausruhten.
    »Hmmm. Ich möchte wissen, wann jemand zum letzten Mal hier unten war.«
    »Mehr als das«, sagte Robyn, die vor Fi ging. »Ich möchte wissen, wie viele menschliche Wesen in der Geschichte des Universums jemals hier gewesen sind. Ich meine, warum hätten sich die Ureinwohner dafür interessieren sollen? Warum hätten sich die frühen Forscher oder Siedler dafür interessieren sollen? Niemand, den wir kennen, hat sich dafür interessiert. Vielleicht sind der Einsiedler und wir die einzigen Menschen, die sie je gesehen haben. Jemals!«
    Zu diesem Zeitpunkt war es offensichtlich, dass wir schon in der Nähe der Talsohle waren. Der Boden wurde eben und die letzten Sonnenstrahlen drangen zu uns durch und wärmten unsere Gesichter. Die Überwucherung und das Unterholz waren jetzt zwar spärlicher, aber noch immer ziemlich dicht. Der Weg kehrte zum Bach zurück und verlief einige hundert Meter lang an seiner Seite. Dann erweiterte er sich zu unserem Lagerplatz für die Nacht.
    Wir befanden uns auf einer Lichtung, die ungefähr so groß wie ein Hockeyfeld oder etwas größer war. Doch es wäre schwierig gewesen, hier Hockey zu spielen, weil sie mit Bäumen bestanden war: drei schöne alte Eukalyptusbäume sowie zahlreiche Schösslinge und junge Bäume. Der Bach befand sich am westlichen Rand; man hörte ihn, sah ihn aber nicht. Hier war er seichter und breiter und kalt, eiskalt, sogar an einem Sommertag. Zeitig am Morgen schmerzte und stach er. Aber wenn einem heiß war und man das Gesicht in ihn tauchte, war es ein wunderbar erfrischender Schock.
    Da bin ich jetzt.
    Allen kleinen Lebewesen der Lichtung mussten wir wie Besucher aus der Hölle vorgekommen sein, nicht wie Besucher der Hölle. Wir machten eine Menge Lärm. Und Kevin – man kann ihm nie die schlechte Angewohnheit abgewöhnen, Zweige von den Bäumen abzubrechen, statt noch ein paar Meter weiterzugehen und abgestorbene Aste einzusammeln. Das ist einer der Gründe, warum ich nie ganz überzeugt war, wenn Corrie davon sprach, wie liebevoll und feinfühlig er ist. Aber er versteht es, Feuer zu machen: Etwa fünf Minuten nach unserem Eintreffen stieg weißer Rauch auf und nach weiteren zwei Minuten brannten die Flammen lichterloh.
    Wir beschlossen uns nicht mit den Zelten herumzuschlagen – wir hatten ohnehin nur zweieinhalb mitgenommen –, denn es war warm und würde bestimmt nicht regnen. Also hängten wir nur einige Zeltplanen als Schutz vor dem Tau auf. Dann widmeten Lee und ich uns dem Kochen. Fi kam herübergeschlendert.
    »Was gibt es heute?«, fragte sie.
    »Zuerst Zwei-Minuten-Nudeln. Wir werden später auch Fleisch kochen, aber ich bin zu hungrig, um zu warten.«
    »Was sind Zwei-Minuten-Nudeln?«, fragte Fi.
    Lee und ich sahen einander an und grinsten.
    »Es ist ein erhabenes Gefühl zu erkennen, dass man gerade dabei ist, das Leben eines Menschen für immer zu verändern«, sagte Lee.
    »Habt ihr niemals Zwei-Minuten-Nudeln gegessen?«, fragte ich Fi.
    »Nein. Meine Eltern schwören auf Reformkost.«
    Ich hatte bis dahin niemanden kennengelernt, der nie zuvor Zwei-Minuten-Nudeln gegessen hatte. Manchmal kam mir Fi wie ein exotischer Schmetterling vor.
    Ich kann mich an keine Wanderung und an kein Zeltlager erinnern, bei dem die Leute ums Feuer herumgesessen und Geschichten erzählt oder gesungen hätten. Anscheinend kam das nie vor. Aber in dieser Nacht blieben wir lange wach und redeten und redeten. Wir waren aufgeregt, weil wir an diesem seltsamen, schönen Ort waren, den so wenige Menschen jemals gesehen hatten. Es gibt auf der Welt nur noch wenige Wildnisse, aber ein glücklicher Zufall hatte uns mitten in dieses kleine, wilde Königreich versetzt. Es war gut so. Ich war wirklich müde, aber ich war so aufgekratzt, dass ich erst schlafen gehen konnte, als die anderen zu gähnen begannen, aufstanden und sich nach ihren Schlafsäcken umsahen. Fünf Minuten später waren alle im Bett; höchstens fünf Minuten
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