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Ein EKG fuer Trimmel

Ein EKG fuer Trimmel

Titel: Ein EKG fuer Trimmel
Autoren: Friedhelm Werremeier
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lassen, da sie noch ei ne Niere mitnehmen müßten – und wenig später war dann auch ein Follow-me-Wagen angerast gekommen, der zwei Weißbekittelte mit einem eimerähnlichen Transportgerät gebracht hatte, die in der First Class plaziert worden waren.
    Man hat ja allen Ernstes sogar auch schon Organe aus Mordopfern entnommen und verpflanzt, erinnert sich Trimmel weiterhin, allerdings nur dann, wenn die Leute den Anschlag zunächst überlebt hatten und erst später, im Krankenhaus, verstorben waren. Und diesmal, sieht er, folgt Jill seinem Blick auf den toten Tennessy länger…
    »Bei ihm ist es zu spät«, sagt sie leise. Sie scheint Gedanken lesen zu können. »Das muß gleich geschehen, sofort bei Eintritt des klinischen Todes…«
    Jake Tennessys Oberkörper ist mittlerweile nackt. Trimmel will sich, anders als die Mehrzahl deutscher Mordpolizisten, möglichst schon am Tatort ein Bild davon machen, wie das Opfer unter der Jacke beschaffen ist – aus welcher Richtung die Messerklinge oder die Kugeln kamen, die in die Körperhöhlen eingedrungen sind. Hier – man sieht’s überdeutlich – ist das Opfer stehend und von vorn in die Brusthöhle getroffen worden, zweimal hintereinander: Auf Jake Tennessys Brust zeichnen sich zwei rotbraune und krustige Punkte ab, dort, wo auf dem Hemd die blutigen Löcher waren. Die Kugeln stecken noch in ihm; man wird sie noch heute herausschneiden. Und abermals der Gedanke: Der Mann muß in der Tat schon recht starr sein. Von Jake Tennessy wird gar nichts weiterleben.
    »Also«, sagt Trimmel, »Mike hilft also, bei Nierenangeboten den Empfänger zu ermitteln. Richtig?«
    »Ja.«
    »Und was, präzise, macht er da?«
    »De facto alles«, sagt Jill. »Effektiv entscheidet er, wer die Nieren kriegt!«
    »Versteht er denn soviel von Medizin?«
    »Wir hätten ihn ohne weiteres mit der entsprechenden Software füttern können«, sagt sie, »aber eigentlich ist das wieder bloß Karteikastenarbeit. Der Computer sucht einen Nierenempfänger raus, dessen medizinische Daten mit denen des Nierenspenders übereinstimmen, und damit ist der Fall gelaufen. Der Empfänger mit den richtigen Daten ist dann dran – anders wär’s überhaupt nicht möglich.«
    »Und wie ist das mit Angebot und Nachfrage?«
    »Weiß nicht genau… eins zu fünfzig, glaub ich.«
    »Eins zu fünfzig?« sagt er fast entsetzt. »Auf jede Niere, die hier angeboten wird, kommen fünfzig Leute, die eine brauchen?«
    »Ja, so ungefähr…«
    »Aber dann – dann muß Ihre Maschine manchmal doch echt der liebe Gott sein?«
    »Es läuft wirklich rein funktional ab«, sagt Jill. »Außerdem hätten wir im Zweifelsfall ja Gott sei Dank noch unseren Aufsichtsrat…«
    Die Sache wird in Trimmels Augen immer mysteriöser. »Aufsichtsrat?«
    »Ja… Fünf Persönlichkeiten ohne Fehl und Tadel. Gesundheitsbehörde, Kirche, Ärztekammer, Gewerkschaft und ein sogenannter Bürgervertreter.«
    »Und die werden jedesmal gefragt?«
    »Nein, eben nicht – laut Statut nur, wenn für ein Transplantat zwei oder mehrere Empfänger in Frage kommen. Praktisch läßt sich’s allerdings auch dann nicht immer machen. Im allgemeinen sind die Leute völlig zufrieden, wenn sie hinterher ihre Statistik kriegen…«
    Trimmel denkt nach. »Also, in letzter Konsequenz hat dann bisher eben doch Tennessy entschieden? Gerade, wenn da Zweifelsfälle auftauchen können?«
    »Ja und nein…«, sagt sie zögernd.
    »Und nächstens tun Sie’s!« stellt er fest. »Sie übernehmen doch den Laden, oder?«
    Da schüttelt sie den Kopf und ist sauer. »Glaub ich nicht; die schicken bestimmt einen von der Frankfurter Zentrale. Alte Knacker haben Vorfahrt; meinen Sie, das wär in der Branche anders?«
    Es gibt ihm einen leisen Stich. In ihren Augen ist er seit zwanzig Jahren ein alter Knacker.
    »Aber mal was anderes«, sagt sie, »ich wollt wirklich nie im Leben Leichenbeschauer werden… können wir nicht in mein Büro gehen, wenn Sie noch was von mir wollen?«
    »Ja, natürlich!« sagt Trimmel und folgt ihr.
     
     
    »Dicht!« sagt dann, quasi hinter ihrem Rücken, der eine der beiden Feuerwehrmänner, die Jake Tennessy abtransportieren. Er nimmt den Sarg aus billigem Kunststoff auf und marschiert aus dem großen Raum, gefolgt von der Leiche, gefolgt von seinem Kollegen.
    Die übliche Prozession des Todes. Niemand ahnt, daß die Feuerwehr heute noch mehr für die Abteilung Trimmel zu tun kriegen wird.
    Am Fahrstuhl stellen sie den Sarg ab, und der eine kratzt
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