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Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen
Autoren: P Mayle
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Fischerdorf am Meer mit zwölf erstklassigen Weingärten im Hinterhof reicht aus, um in einem Menschen den Wunsch zu wecken, den Reisepass wegzuwerfen und hier für immer sesshaft zu werden.
    Philippe hatte bereits auf der Terrasse des Nino Platz genommen; das Restaurant verfügte zusätzlich über drei Gästezimmer, für den Fall, dass dem Mittagessen der unwiderstehliche Drang folgte, Siesta zu halten. Trotz der frühen Stunde war die Terrasse mit Blick auf den Hafen fast vollständig belegt, was einen für Frankreich untypischen Tribut an die Pünktlichkeit widerspiegelte. Im Großen und Ganzen hat der Provenzale ein entspanntes, wenn nicht gar ungezwungenes Verhältnis zur Zeitmessung, im Gegensatz zu seinem Appetit: Der Magen fordert Schlag zwölf, gefüllt zu werden. Als Sam sich umblickte, sah er, dass die Servietten
bereits in den Hemdkragen steckten, während die Speisekarten studiert und die jeweiligen Vorzüge eines Seeteufel- Gigot oder einer gegrillten Dorade zwischen zwei Schlucken eisgekühltem Wein aus der Region abgewogen wurden. Das Mittagessen war eine ernst zu nehmende Angelegenheit.
    »Ursprünglich dachte ich, wir feiern mit einem Glas Champagner«, sagte Philippe. »Aber für Champagner ist das nicht der richtige Ort. Hier sollte man Cassis-Wein trinken.« Er nahm eine Flasche aus dem Eiskübel an seiner Seite und zeigte ihnen das Etikett. »Domaine du Paternel. Ein Juwel.« Er schenkte ein und hob sein Glas. »Auf ein Wiedersehen, wo auch immer. Heute Cassis. Morgen -« Er zwinkerte Sam zu und hob die Augenbrauen – »Los Angeles?«
    Das Mittagessen war lang und lebhaft und die Bouillabaisse vom Feinsten, doch trotz der Verlockung, sich zu einer Siesta in die oberen Gemächer zurückzuziehen, gelang es ihnen, den Flughafen rechtzeitig zu erreichen, um einen letzten Kaffee zu trinken. Die gemeinsamen Tage waren wie im Flug vergangen, vraiment charnu, wie Philippe sagte – fleischhaltig, erlebnisreich also -, was aus dem Munde eines waschechten Marseillais ein Riesenlob war, wie er den anderen versicherte. Und mit zahlreichen, nach Knoblauch duftenden Abschiedsküssen, Umarmungen und Versprechen, sich in Bordeaux zu Sophies Hochzeit wiederzusehen, trennten sich ihre Wege: Sophie flog nach Bordeaux, Sam nach Paris, und Philippe kehrte an die Arbeit, zu seinem Exklusivbericht, zurück. Den ersten Teil seiner großen Reportage hatte er bereits fix und fertig im Kopf: den anonymen Hinweis, die Entdeckung des Weines in einem entlegenen Versteck und die Erkenntnis, dass er auf einen Schatz gestoßen war. Die Möglichkeiten, die Geschichte auf der Grundlage
dieses Konzepts auszubauen, waren ebenso vielfältig wie faszinierend. Er sah einigen kurzweiligen Wochen entgegen.
     
    Von seinem Fensterplatz aus warf Sam einen letzten Blick auf das Mittelmeer, als das Flugzeug der Sonne den Rücken kehrte und Kurs nach Norden nahm. Zum ersten Mal war er bei dem Gedanken, nach Paris zu fliegen, nicht sonderlich entzückt. Trotz der gelegentlichen Anzeichen von Verwahrlosung hatte er Marseille faszinierend und ungeheuer einnehmend gefunden, eine Stadt mit ausgeprägtem Charakter. Sie besaß einen rauen Charme, der ihm gefiel, und die Einheimischen wirkten gutmütig und aufgeschlossen. Der schlechte Ruf von Marseille war meilenweit von der Realität entfernt.
    Zentralfrankreich lag unter einer dichten Wolkendecke verborgen, und bei der Landung zeigte sich Paris von seiner eintönigen Seite, nichts als Grau in Grau zwischen Himmel und Erde. Seltsam, wenn man bedachte, dass das harsche kristallklare Licht der Provence nur eine Flugstunde entfernt war. Die Bewohner von Marseille machten um diese Zeit Feierabend und fanden sich auf den Terrassen der Cafés ein, um einen Aperitif zu trinken und den neuesten Klatsch auszutauschen, während sie den Sonnenuntergang beobachteten. Philippe würde in einer der kleinen Bars sitzen, die ihm als Büro dienten, und sich über seine Notizen beugen. Als sich das Taxi durch den dichten Verkehr auf dem Boulevard Raspail fädelte, verspürte Sam einen Anflug von Heimweh.
    Er ließ seinen Koffer auf das Bett fallen und hängte sein Jackett auf. Eine kurze Dusche würde das Gefühl vertreiben, zerknittert zu sein, das sich immer nach einem Flug einstellte, und er hatte die Hose schon halb ausgezogen, als das Telefon
in seinem Zimmer läutete. Er hüpfte auf einem Bein quer durch den Raum und hob den Hörer ab.
    »Sag mal – was muss man als Frau tun, um in diesem Hotel einen Drink
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