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Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen
Autoren: P Mayle
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Verwandten anheimgefallen, die keine einzige Flasche übrig gelassen hatten. Nach dem Prunk und der gewissenhaften Ordnung in Rebouls Kellergewölbe wirkte er armselig. Eine kurze steile Treppe führte zu den Lagervorrichtungen – Regale aus alten Holzplanken, auf Eisenstangen ruhend, die in die Wände getrieben worden waren. Die Oberfläche der Wände waren schwarz vom Schimmel, und die Kiesschicht auf dem Boden war so abgenutzt, dass stellenweise das festgestampfte Erdreich zutage trat. Doch wie Philippe gesagt hatte, war der Keller kühl, feucht und der letzte Ort auf der Welt, wo man Wein im Wert von drei Millionen Dollar erwartete.
    Die Kartons aus dem Lieferwagen ins Haus zu tragen war ein Unterfangen, das nur langsam Fortschritte machte, erschwert durch Türschwellen und Decken, die man allem Anschein nach für Zwerge entworfen hatte. Waren die Menschen vor zweihundert Jahren um so viel kleiner und schmächtiger gewesen? Als sich endlich der letzte Karton an
seinem Platz befand, hatten sich beide Männer an den rauen Steinkanten der schmalen Türlaibungen die Knöchel aufgerieben, und der Rücken schmerzte vom ständigen Bücken. Sie hatten im Verlauf ihrer Arbeit kaum bemerkt, dass ein neuer Tag angebrochen war.
    »Was halten Sie davon?«, fragte Philippe. »Ich bin kein Landmensch, aber diese Aussicht ist etwas Besonderes.« Sie standen draußen vor dem Haus und blickten nach Osten, wo der erste Sonnenstrahl gerade über dem Horizont auftauchte. Sam drehte sich langsam um die eigene Achse. Weit und breit war kein anderes Haus in Sicht. Sie waren von Feldern umgeben, die später im Jahr eine purpurne Färbung annehmen würden, wenn die Lavendelbüsche aufgereihten grünen Stachelschweinen glichen. Hinter ihnen ragte die Gebirgskette des Luberon auf, blau verhangen im Licht der Morgendämmerung.
    »Wissen Sie was?«, erwiderte Sam. »Die Aussicht wird noch schöner, wenn wir gefrühstückt haben. Ich habe seit dem gestrigen Mittagessen keinen Bissen mehr zu mir genommen.«
    Sie fuhren nach Apt, fanden ein Café mit Terrasse, die in der Sonne lag, und stürmten eine nahe gelegene Bäckerei, um Croissants zu besorgen. Große, dickwandige Tassen café crème wurden vor ihnen auf den Tisch gestellt. Sam schloss die Augen und atmete tief den Duft ein. Dieses Aroma gab es nur in Frankreich; wahrscheinlich war es auf die französische Milch zurückzuführen.
    »Also, mein Freund, wir haben einen arbeits- und abwechslungsreichen Vormittag vor uns«, sagte er. Philippe, dessen Mundwerkzeuge mit der Verarbeitung des Croissants gänzlich ausgelastet waren, hob fragend die Augenbraue. »Zuerst müssen wir aus diesem Hotel auschecken, bevor Vial
merkt, dass fünfhundert Flaschen Wein fehlen, und uns eine neue Bleibe suchen – aber nicht in Marseille. Ich werde ein Auto mieten. Dann sollten wir uns ein paar unmarkierte Kartons beschaffen, zum Haus Ihrer Großmutter zurückkehren, den Wein umpacken und uns der anderen Kartons entledigen. Danach können wir feiern.« Er blickte auf die Uhr und holte sein Handy heraus. »Glauben Sie, dass Sophie um diese Zeit schon wach ist?«
    Sie war. Und nicht nur das, sie hatte den raschen Auszug aus dem Hotel vorausgesehen und bereits gepackt. Damit stieg sie noch höher in Sams Achtung.
    Philippe setzte ihn vor dem Hertz-Büro am Flughafen ab. Er bat Sam, im Parkbereich an der Einfahrt zur autoroute auf ihn zu warten, und brauste davon, um die Weinkartons zu beschaffen. Der Freund eines Freundes war Winzer . Er besaß also mit Sicherheit Kartons in Hülle und Fülle.
    Sam reihte sich mit seinem gemieteten Renault in den frühmorgendlichen Verkehr ein, der Marseille zustrebte. Er hatte vergessen, dass in jedem Franzosen, der etwas auf sich hält, die Seele eines Formel-1-Rennfahrers schlummert. Er fand sich inmitten einer Grand-Prix Veranstaltung wieder – Kleinautos rasten an ihm vorüber, deren Räder kaum den Boden berührten; die Insassen führten angeregte Telefongespräche, während sie rauchten und mit der freien Hand lenkten. Als er physisch unversehrt, aber nervlich mitgenommen im Hotel eintraf, richtete er ein stummes Dankgebet an den Schutzpatron der ortsfremden Autofahrer und begab sich auf die Suche nach Sophie.
    Sie hatte gerade das Frühstück beendet und wirkte bemerkenswert gelassen für eine Frau, die sich als Komplizin eines Verbrechens strafbar gemacht hatte. »Nun? Wie ist es gelaufen?«

    »Fantastisch. Ich erzähle Ihnen alles haarklein im Auto. Ich hole nur noch
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