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Ein delikater Liebesbrief

Ein delikater Liebesbrief

Titel: Ein delikater Liebesbrief
Autoren: Eloisa James
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Oh Gott, Henrietta, wenn dir etwas geschehen würde, wäre mein Leben wahrlich nicht mehr als ein Schlaf.«
    »Schlaf? Du siehst schrecklich aus, Darby!« Sie sah zu ihm hoch. »Hast du überhaupt ein Auge zugetan?«
    Er fuhr sich mit der Hand durch das bereits zerzauste Haar. »Nein.«
    »Warum nicht?« Sie zuckte zusammen und drückte wieder seine Hand. »Meine Güte. Die Wehen werden tatsächlich stärker. Warum hast du nicht geschlafen?«
    Er flüsterte in ihr Haar. »Wenn ich schliefe, würde ich ein oder zwei Stunden mit dir verpassen. Und …« Die Stimme versagte ihm.
    »Unsinn!« Doch sie verwandelte das harte Wort in einen Kuss. »Ich spüre diese furchtbaren Schmerzen nicht einmal, von denen die meisten Frauen erzählen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich an Beschwerden gewöhnt bin. Ich glaube wirklich, Simon, dass die Wehen gar nicht so schlimm …« Ihre Hand drückte zu und sie blinzelte verstört. » Au! «

45
    Unfeines Benehmen
    Dr. Ortolon hätte nicht zu sagen vermocht, was das Schwierigste bei dieser Niederkunft war: die Wehen oder der Ehemann. Natürlich kam so etwas häufig vor. Als führender accoucheur Londons hatte er immer wieder feststellen müssen, dass die Männer ebenso lästig sein konnten wie ihre Frauen. Dieser Ehemann jedoch übertraf alle, selbst die Herzöge aus der königlichen Familie, die ebenso sentimental wie starrköpfig waren.
    Mr Darby war Ortolon während der Schwangerschaft wie ein äußerst vernünftiger Mann vorgekommen. So hatte er sich auch während der Sprechstunden präsentiert, in denen er besonnen Anteil am Geschick seiner Frau genommen hatte.
    Doch im Laufe der letzten Woche hatte der Mann eine Wandlung durchgemacht. Tatsächlich äußerte er sogar den Wunsch, die Schwangerschaft jetzt lieber abzubrechen.
    »Dafür ist es nun ein bisschen zu spät«, sagte Dr. Ortolon mit einem Lachen, das eingerostet klang. Natürlich war er der Einzige, der über ein derartiges Ansinnen lachen konnte. Mr Darby strich wie ein wütender Tiger durch die Eingangshalle, und als Ortolon sich auf den Weg nach oben machte, stieß er an der Seite des Arztes abwechselnd Drohungen und unhöfliche Bemerkungen aus.
    Und dann folgte er Ortolon auch noch in das Gebärzimmer!
    Lady Henrietta hatte mittlerweile starke Schmerzen, hielt sich jedoch tapfer. Mr Darby stürzte zum Kopfende des Bettes und begann, auf seine Frau einzureden. Als Ortolon vorschlug, Darby möge doch das Zimmer verlassen, damit er die Patientin untersuchen konnte, fuhr der Mann wie der Blitz herum.
    »Das kommt nicht infrage!«, fauchte er.
    Ortolon meinte, gebleckte Raubtierzähne zu sehen. Er gab nach. Es schien seine Patientin abzulenken, wenn ihr Ehemann im Zimmer weilte … nun, umso besser.
    Die Wehen wurden stärker, während Lady Henrietta ihren Gemahl für sein ungehöriges Benehmen tadelte. Zudem missfiel es ihr, dass er darauf bestand, im Zimmer zu bleiben.
    Als die Wehen intensiver wurden, brüllte seine Patientin ihren Mann an. Üblicherweise pflegten werdende Mütter den behandelnden Arzt zu beschimpfen, was Ortolon immer als Zerreißprobe für seine Nerven empfand. Ja, dachte er bei sich, Ehemänner im Gebärzimmer könnten durchaus nützlich sein, wenn ihre Anwesenheit nur nicht so anstößig wäre.
    Am Ende war es eine ganz normale Geburt, fast schon enttäuschend einfach. Als Künstler seiner Zunft zog Ortolon den gewalttätigen Wettlauf mit dem Tod vor, eine schwere Geburt, die alle Register seines Könnens erforderte.
    »Alles ganz normal«, teilte er seiner Patientin mit.
    Sie schaute zu ihm hoch. Dieses Bild war Ortolon vertraut: Ihre Haare waren zerzaust, dunkel vor Schweiß und klebten an der Stirn. Sie war bleich vor Erschöpfung und unter ihren Augen lagen dunkle Ringe.
    Doch sie blickte strahlend auf das kleine Bündel in ihrem Arm, ein rot angelaufenes, hässliches Häufchen Mensch, das gleichwohl bereits gierig nuckelte.
    »Wie wollen Sie den Knaben nennen?«, fragte Ortolon und wusch sich ein letztes Mal die Hände, bevor er sich auf den Heimweg machte.
    »Nennen?«
    Lady Henrietta schien seine Frage sofort wieder zu vergessen, während sie versunken die Windungen des winzigen Öhrchens streichelte.
    »John«, antwortete der Vater des Kindes. »Er soll John heißen, nach dem Dichter John Donne.«
    Ein Kind nach einem Dichter zu benennen, was für eine heidnische Idee! Dr. Ortolon stellte entsetzt fest, dass in den Augen des Mannes Tränen glänzten. Er klappte seine schwarze Tasche zu
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