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Ein delikater Liebesbrief

Ein delikater Liebesbrief

Titel: Ein delikater Liebesbrief
Autoren: Eloisa James
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Schlaf mehr. Was hatte er sich nur gedacht? Er hatte Henrietta erlaubt, ihr Leben für ein Kind zu opfern, das vielleicht selbst nicht überleben würde. Was sollte aus Josie werden, wenn seine Frau starb? Die arme, mutterlose Waise hatte eine heftige Zuneigung zu Henrietta gefasst. Anabel beging schon lange nicht mehr den Fehler, Fremde mit Mama anzusprechen. Sie wusste ganz genau, welche Frau sie am meisten liebte. Konnten die Kinder den Tod noch einer Mutter verwinden?
    Am Ende gab Darby jeden Versuch zu schlafen auf, setzte sich auf und atmete zugleich mit der kalten Nachtluft die Wahrheit ein. Er stellte sich eine Welt ohne Henrietta vor – eine Welt ohne jede Wärme. Da lag sie an seiner Seite, bleich im Kerzenschein. Ihre Haut war so weiß, als ob sie … als ob sie …
    Darby berührte sanft ihre Wange. Sie atmete. Bei seiner Berührung erblühte ein leises Lächeln auf ihren Lippen und sie schmiegte sich im Schlaf an seine Hand. So war Henrietta: Sie liebte Josie, Anabel, ihn und das Ungeborene so sehr, dass es schien, als ob ihre Lebensenergie allein durch Liebe gespeist würde.
    Sie öffnete die Augen und danach den Mund. Dann aber stutzte sie, und was sie hatte sagen wollen, erstarb auf ihren Lippen.
    Darby musterte sie argwöhnisch. »Was ist mit dir?«, fragte er und stellte erstaunt fest, dass seine Stimme ganz normal klang.
    Henrietta lächelte ihn strahlend an. Doch sie hatte noch nie etwas vor ihm verbergen können.
    »Das war eine Wehe«, vermutete er.
    »Vielleicht.«
    »Ich lasse Ortolon rufen«, rief Darby und schwang die Beine aus dem Bett.
    Henrietta versuchte ihn zurückzuhalten. »Nein, Simon, ich möchte noch warten. Es war fast nichts, im Grunde nur ein Zwicken.«
    »Unsinn.«
    Wie sich herausstellte, konnte Ortolon nichts tun. Tatsächlich war er aus Darbys Sicht vollkommen nutzlos, denn er gab ein paar unsinnige Sätze von sich, dass doch alles gut verlaufe, und wollte gleich wieder in seinen Club.
    Darby folgte ihm an die Haustür und packte den Arzt unsanft am Arm. »An Ihrer Stelle würde ich auf alkoholische Getränke verzichten, Ortolon.« Es scherte ihn wenig, dass er unhöflich war. Am liebsten hätte er den Arzt gar nicht fortgelassen.
    Ortolon schüttelte seine Hand ab und bellte: »Reißen Sie sich zusammen!« Dann ging er.
    Henrietta ging wieder zu Bett. Die Schmerzen schienen ihr nicht viel auszumachen.
    »Weißt du, Simon«, sagte sie recht schläfrig, »ich bin es eben gewöhnt, mit einem gewissen Maß an Beschwerden zu leben.« Und zu seiner Bestürzung schlief sie wieder ein.
    Er aber lag wach und beobachtete ihr Gesicht. So schön war sie eigentlich gar nicht. Sie hatte jedenfalls keine klassisch geschnittene römische Nase. Doch er war mit jedem Herzschlag seines Lebens an sie gebunden, an ihre kleine englische Stupsnase und an diese blauen Augen, aus denen stets die Wahrheit sprach.
    Hin und wieder runzelte Henrietta im Schlaf die Stirn und verzog leicht das Gesicht. Mitten in der Nacht erwachte sie und murmelte schlaftrunken seinen Namen.
    »Ich bin da.«
    »Warum schläfst du denn nicht?«
    »Ich denke an das Gedicht, das du in deinem verrückten Liebesbrief verwendet hast.«
    »Das Gedicht von John Donne.« Sie lächelte zu ihm empor. »Wie konnte ich nur das Gedicht vergessen, das ich benutzt habe, um dich in meine Falle zu locken?« Sie drückte seine Hand, fest. »Meine Güte, das muss es …
    Oh, jetzt ist es schon wieder vorbei.«
    »Ich lasse sofort Ortolon kommen.«
    »Er kann auch nichts tun, Simon. Wir müssen einfach abwarten. Wieso ist dir Donnes Gedicht eingefallen?«
    »Ich habe mich nur erinnert. › Liebste, nein, ich scheide nicht aus Überdruss an dir ‹, zitierte er und nahm sie in die Arme. »Verstehst du, der Dichter hat Angst, weil er seine Liebste allein lassen muss. › Nicht Wind ist’s, was du seufzend hauchst, hauchst meine Seele fort‹ . Er meint, wenn ihm etwas geschehen sollte, so besitzt sie doch seine Seele.«
    Henrietta blinzelte verständnislos. »Aber mir wird nichts geschehen! Hast du denn Ortolon in all den Monaten nicht zugehört?«
    Darby ignorierte ihren Einwand. »Er sagt: › Du bist das Beste an mir .‹ Und das ist die Wahrheit. Du bist das Beste an mir.«
    »Ich dachte, die Liebesbriefe in dieser Familie schreibe ich «, flüsterte Henrietta und hob ihm ihr Gesicht entgegen.
    Er legte seine Lippen auf ihre. »Er sagt seiner Liebsten, sie solle so tun, als sei die Zeit ihrer Trennung nichts weiter als ein langer Schlaf.
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