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Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte

Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte

Titel: Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte
Autoren: Chantelle Shaw
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Offensichtlich hatte die Schwester Ginas erbitterte Miene falsch gedeutet.
    „Ich will sie nicht allein lassen.“ Gina war entschlossen, den ziehenden Schmerz der Operationswunde zu ignorieren und bei ihrem Baby zu bleiben.
    „Sie brauchen Ruhe“, entschied die Schwester bestimmt und lächelte Lanzo fröhlich an. „Und ihr Papá ist ja hier.“
    Das Schweigen war ohrenbetäubend.
    „Er muss gleich gehen“, behauptete Gina tonlos. Sie sah sich nicht nach ihm um, als die Schwester sie mit dem Rollstuhl über den Korridor zurück zu ihrem Zimmer schob.

10. KAPITEL
    Lanzo fuhr sich durchs Haar, seine Hände zitterten. Ginas Ausbruch hatte ihm ein paar unangenehme Wahrheiten vor Augen geführt.
    Einen Feigling hatte sie ihn genannt, und, Dio, sie hatte recht. Er hatte sie in ihrer Schwangerschaft allein gelassen und immer wieder betont, dass er dem gemeinsamen Kind kein Vater sein wollte.
    Langsam drehte er den Kopf zum Inkubator, und sein Herz begann wild zu hämmern. Seine Tochter schaute ihn an, mit den dunkelblauen Augen der Mutter. Der Atem stockte ihm, er tat einen unsicheren Schritt auf den Glaskasten zu, und während er das winzige Wesen stumm betrachtete, merkte er, dass er am ganzen Körper bebte.
    Er nahm die Schwester kaum wahr, die neben ihn trat. „Sie können sie ruhig anfassen. Hier, sehen Sie? Hier können Sie Ihre Hand durchstecken.“
    Das Baby war so klein, es würde in seine Hand passen, die Haut war fast durchsichtig. Aber es fühlte sich warm und lebendig an, und die Brust hob und senkte sich mit jedem Atemzug Leben, den es einsog.
    Tief in ihm blühte ein unfassbares Gefühl auf, als er seiner Tochter sanft über das Köpfchen strich. Und dann öffnete sie die winzige Faust und schloss ihre Fingerchen um seine Fingerspitze, die Augen fest auf seine gerichtet.
    Santa Madre, er würde hier noch zusammenbrechen. Es brannte in seiner Kehle, als hätte er Säure geschluckt, und er schmeckte Salz auf den Lippen. Salz von den Tränen, die ihm über die Wangen liefen.
    „Hier“, sagte die Schwester leise und reichte ihm Papiertaschentücher, und er wischte sich die Tränen ab, die nicht aufhören wollten zu strömen. So wie früher, wenn er als kleiner Junge weinend zu seiner Mutter gelaufen war, um sich trösten zu lassen, weil er sich bei einem Sturz die Knie aufgeschlagen hatte.
    Auf der Beerdigung seiner Eltern und auf Cristinas Beerdigung hatte er geweint. Aus Trauer und Schmerz. Er hatte sich antrainiert, den Schmerz tief in sich zu vergraben. Fünfzehn Jahre lang hatte er seine Emotionen fest verschlossen gehalten. Und jetzt, da er auf seine Tochter starrte, war ihm, als wäre ein Damm gebrochen. Die Gefühle, die er sich so lange Zeit verboten hatte, brachen sich unaufhaltsam ihren Weg.
    Gina hatte das Baby ihr Wunder genannt, doch das winzige Wesen war ebenso sein Wunder. Seiner Tochter war es gelungen, die dicke Eisschicht um sein Herz zu sprengen. Er hatte gar keine Wahl, ob er sie lieben wollte oder nicht. Er spürte, wie die Liebe für sein Kind in jede einzelne seiner Zellen strömte, und wusste, er würde alles für sein Kind tun. Er würde sein Leben für seine Tochter geben.
    „Was meinen Sie, wie stehen ihre Chancen?“, fragte er die Schwester belegt. „Wird sie es schaffen?“
    Die Krankenschwester nickte überzeugt. „Sie ist eine Kämpferin. Seit Jahren betreue ich Frühchen. Glauben Sie mir, ich spüre es, dass sie einen starken Willen hat.“
    „Den hat sie von ihrer Mutter“, murmelte er und schickte ein Dankgebet zum Himmel, dass die Kleine Ginas unbeirrbaren Charakter und Lebensmut geerbt hatte.
    Gina hielt sich eisern unter Kontrolle, bis sie sich wieder in ihrem Zimmer befand, die Schmerztabletten von der Schwester angenommen hatte und allein war. Erst dann ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie drückte das Gesicht ins Kissen, herzzerreißende Schluchzer schüttelten sie.
    Ihre Hormone spielten verrückt, mehr nicht. Zumindest sagte sie sich das, als die Tränen endlich versiegten und sie mit Kopfschmerzen und Schluckauf zurückließen. Wenn das Leben sie eines gelehrt hatte, dann dass Weinen nichts nutzte.
    Sie trocknete ihre Tränen und legte sich zurück, verzog gequält das Gesicht, als sich die noch frische Wunde ihres Kaiserschnitts bemerkbar machte. Sie brauchte Ruhe und Schlaf, damit sie zu Kräften kam und sich um ihr Kind kümmern konnte. Denn sie beide waren jetzt auf sich allein gestellt. Lanzo war sicher längst verschwunden, nach dem, was sie
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