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Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte

Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte

Titel: Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte
Autoren: Chantelle Shaw
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merkst, dass du müde wirst!“
    Lanzo und Daphne kümmerten sich rührend um Gina, und sie entspannte sich mehr und mehr. Das Trauma jenes Tages in Poole und die Angst, das Baby zu verlieren, verblassten langsam. Doch dann wachte Gina eines Morgens auf und musste feststellen, dass sie wieder Blutungen gehabt hatte. Ein gellender Schrei, und Lanzo befand sich sofort in ihrem Zimmer, danach war alles nur ein hektischer Wirbel aus Sanitätern, dem lauten Martinshorn des Notarztwagens und Krankenschwestern, die sie in der Klinik für die Kaiserschnitt-OP vorbereiteten.
    „Mein Stichtag ist erst in sechs Wochen“, flehte sie verzweifelt. „Vielleicht hören die Blutungen ja wieder auf, und ich kann das Baby noch ein paar Wochen austragen …“
    Doch der Arzt schüttelte nur mit ernster Miene den Kopf. Das Letzte, an das Gina sich erinnerte, war Lanzo, der ihre Hand drückte.
    „Alles wird gut, cara “, versprach er heiser, und dann wurde sie auch schon mit dem Bett in den OP gerollt.
    „Gina …“
    Lanzos Stimme schien von weit her zu kommen. Gina versuchte die Augen zu öffnen. Ihre Lider waren bleischwer … doch mit viel Anstrengung schaffte sie es. Dann setzte ihr Verstand ein.
    „Das Baby! Was ist mit …“
    „Es ist ein Mädchen. Du hast eine Tochter, Gina.“
    Du, nicht wir . So benommen sie auch war, es fiel ihr auf. „Ist alles in Ordnung mit ihr?“ Als er zögerte, blieb ihr Herz stehen. „Lanzo?“
    Ihre Angst war nicht zu überhören. „Ihr geht es gut“, versicherte er hastig. „Aber sie ist winzig.“ Erschreckend winzig. Eine Schwester hatte ihn zur Frühchenstation gebracht, und das Bild des kleinen Wesens in dem Brutkasten hatte sich in seinen Kopf eingebrannt. „Sie muss eine Weile im Inkubator bleiben. Sie wird künstlich beatmet, weil ihre Lungen noch nicht ganz ausgebildet sind.“
    Großer Gott! Ginas Freude wandelte sich in Panik. „Ich will sie sehen.“
    „Sobald der Arzt dich untersucht hat.“
    Eine Stunde später schob er Gina in einem Rollstuhl zur Frühchenstation. Ein Blick, und Liebe für ihr Kind überrollte Gina wie eine Flutwelle. Sie sehnte sich danach, ihr Kind auf dem Arm zu halten, doch sie konnte nur die Hand an die Glasscheibe legen. Lanzo hatte recht, das Baby war winzig, es versank geradezu in der kleinen Windel, und überall waren Schläuche, um es am Leben zu erhalten.
    „Aber du bist auf der Welt, mein Engel“, wisperte Gina, und stille Tränen rollten ihr über die Wangen. „Du bist mein kleines Wunder. Ich weiß, du wirst es schaffen.“
    Lanzo brachte es nicht über sich, das kleine Bündel Mensch noch einmal anzusehen. Er war überzeugt, dass es nur geringe Chancen auf ein Überleben hatte. Er wollte Gina vor dem Schmerz beschützen, den der Verlust unweigerlich mit sich bringen würde.
    „Versuche, nicht zu viel zu fühlen, cara “, riet er leise. „Es ist besser, wenn du nicht zu viel erhoffst.“
    Verständnislos sah Gina ihn an. Dann dämmerte ihr der Sinn seiner Worte, und sie zuckte vor ihm zurück. Emotionen tobten in ihr, die mächtigste davon war unendliche Rage.
    „Ich soll nichts fühlen? Sie ist mein Kind, sie ist ein Teil von mir. Von dir übrigens auch – wenn du endlich den Mut hättest, Vater zu sein“, fauchte sie beißend. „Glaubst du tatsächlich, wenn ich sie weniger liebe, dann tut es weniger weh, wenn sie …“ Sie musste sich zwingen, die Worte auszusprechen. „… wenn sie es nicht schafft? Ist das der Grund, Lanzo? Deine Verlobte und deine Eltern sind zur gleichen Zeit gestorben, und ich weiß, es muss schlimm für dich gewesen sein, aber … du kannst deshalb nicht alle Gefühle aus deinem Leben herausschneiden.“ Bebend holte sie Luft. „Du bist ein Feigling, Lanzo. Du magst den tollkühnen Abenteurer spielen, du mit deinem Skydiving und deinen Powerboot-Rennen, aber wenn es um Gefühle geht, wagst du kein Risiko. Dabei ist das die wahre Herausforderung im Leben … dein Herz zu öffnen und zu riskieren, erneut verletzt zu werden. Dieses Risiko ist dir jedoch zu groß. Deine Tochter kämpft um ihr Leben, und du weigerst dich schlicht, etwas zu empfinden. Mit Gefühlen willst du nichts zu tun haben, das ist dir nämlich zu gefährlich. Mit Gefühlen wie Liebe oder …“, ihre Stimme zitterte, „… Trauer.“
    Lanzos Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt. Bevor er ein Wort sagen konnte, kam eine Schwester, um Gina zurück ins Bett zu bringen.
    „Sie können sicher ein Schmerzmittel gebrauchen.“
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