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Ein Blick genuegt

Ein Blick genuegt

Titel: Ein Blick genuegt
Autoren: Barbara McCauley
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die weiten Räume zum Arbeitszimmer ging. Dort an der Tür zögerte sie kurz, holte dann tief Luft und trat ein.
    Auch dieses Zimmer war leer geräumt worden, bis auf ein Bild. Das Porträt ihres Vaters hing noch immer an der Wand. Sie ging in die Mitte des Raumes und starrte es an.
    Er war schon immer einsam, dachte sie und schaute in seine kalten grauen Augen. Er war nie fähig, wirklich zu lieben und hatte auc h nie jemanden nahe genug an sich herangelassen, um geliebt zu werden. Es hätte wohl nicht anders kommen können, als es gekommen war.
    Das einzige, was sie hätte ändern können, war das, was damals mit Thomas Blackhawk geschehen war.
    „Julianna.”
    Sie fuhr herum.
    Lucas stand in der Tür und schaute sie mit seinen dunklen Augen aufmerksam an.
    „Ich habe dich gar nicht kommen gehört”, brachte sie mühsam heraus.
    „Ist alles in Ordnung?” Besorgt kam er auf sie zu.
    „Ja, danke.” Sie zwang sich zu einem Lächeln und wies durch das Zimmer. „Sieht so aus, als hättest du einen Ausverkauf veranstaltet.”
    „Ich habe alles einlagern lassen. Wenn es etwas gibt, das du gern behalten möchtest, werde ich es für dich heraussuchen lassen.”
    Sie schüttelte den Kopf. „Nichts in diesem Haus hat wirklich mir gehört. Meinetwegen kannst du damit ein Lagerfeuer machen.” Der Gedanke hob gleich ihre Stimmung. „Ich bringe dann die Würstchen mit.”
    Lächelnd zog er sie in seine Arme. „Ich dachte, ich überlasse alles dem Kinderheim von Wolf River. Mit dem Geld können sie ein paar neue Computer kaufen, die Sporthalle renovieren und Stipendien finanzieren.”
    Dass doch noch etwas Gutes aus dem Besitz ihres Vaters herauskommen könnte, war eine herrliche Vorstellung. „Oh, Lucas. Das ist ein wunderbares Geschenk.”
    „Das ist nur ein Teil davon.” Er küsste sie sanft. „In einer Stunde werden die Handwerker kommen und anfangen, das Haus auseinander zu nehmen. In einem Jahr werden hier, wo wir stehen, Kühe weiden.”
    „Du lässt das Haus abreißen?”
    „Es steckt zuviel schmerzliche Vergangenheit hier drin.” Bitter schaute er auf das Porträt ihres Vaters. „Besonders in diesem Zimmer. Es wird für uns beide Zeit, die Vergangenheit loszulassen.”
    Ja, es ist an der Zeit, dachte sie, und ihr Herz klopfte heftig. „Lucas, ich …”
    „Ist das aber eine herzzerreißende Szene.”
    Sie erstarrte innerlich, als sie die Stimme ihres Vaters vernahm. Wütend stand er in der Tür. Er sieht älter aus, dachte sie, sein Haar ist grauer, seine Schultern gebeugter. Aber derselbe grausame Ausdruck beherrschte sein Gesicht.
    Mit angehaltenem Atem schaute sie zu Lucas, dessen Blick hart wurde, als er sich nun langsam umdrehte.
    „Sie mussten erst einmal ein Herz haben, um diese Szene wür digen zu können, Hadley.”
    „Halt den Mund, Blackhawk.” Mason ballte die Fäuste. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde zulassen, dass du dieses Haus abreißen lässt?”
    Lucas betrachtete ihn ruhig. „So wie ich es sehe, haben Sie keine andere Wahl.”

    Masons Lächeln war so kalt wie seine Augen. „Es gibt immer eine Wahl, Halbblut.
    Stimmt’s Julianna?”
    Auf unsicheren Beinen trat sie näher zu Lucas. „Du hast verlo ren”, sagte sie zu ihrem Vater und brachte es nicht über sich, ihn mit Dad anzusprechen. „Lass uns einfach in Ruhe.”
    „Lass uns in Ruhe?”, gab er höhnisch zurück. „Aber, Liebes, redet man so mit seinem Vater?”
    „Ich bin nicht deine Tochter.” Niemals in ihren neunundzwanzig Jahren hatte sie ihm widersprochen, sich gegen ihn aufge
    lehnt. Die Konsequenzen hätten sie sofort und
    unerbittlich ge
    troffen. Aber jetzt konnte er ihr nichts mehr anhaben. Nichts, dessen Konsequenzen sie nicht bereit war zu tragen.
    „Du hast mich und meine Mutter benutzt”, sagte sie, und die Worte befreiten sie regelrecht und gaben ihr eine Kraft, die sie nie zuvor gespürt hatte. „Du wolltest der Welt eine he ile Familie präsentieren. Aber es war lediglich eine Illusion, die einem Albtraum glich. Du warst meiner Mutter nie ein richtiger Ehemann, und du warst nie ein richtiger Vater für mich.”
    „Du undankbare Göre!” Mit erhobener Hand kam er auf sie zu.
    Lucas trat vor sie. Sie konnte die Spannung in seinem Körper geradezu spüren. „Hören Sie auf, Hadley.” Sein Stimme war wie ein tiefes Grollen. „Verschwinden Sie, und lassen Sie es gut sein.”
    Mason zögerte und erinnerte sich offensichtlich an seine letzte Begegnung mit Lucas. Sein Blick wurde wachsam.
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