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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Autoren: Anthony Bourdain
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verlorenen Söhnen. Ich werde nie vergessen, wie er weinte, als seine Cassata in sich zusammenfiel. Wenn je ein Mensch eine Umarmung gebraucht hat, dann Adam. Leider hätte er einem die Zunge in den Hals gesteckt oder das Portemonnaie geklaut, wenn man es versucht hätte. So ist das nun einmal bei den wahren Genies - es nimmt selten ein glückliches Ende mit ihnen.
     
     
    Mein alter Chef, »Jimmy Sears«, bei dem es sich um John Tesar handeln kann oder auch nicht, eröffnete sein erstes
eigenes Restaurant in Texas, Tesar’s Modern Steak and Seafood - nach (für ihn) erfolgreichen Gastspielen in Vegas und Dallas. Tesar war wahrscheinlich der talentierteste Koch, mit dem ich je zusammengearbeitet habe - und der inspirierendste dazu. Als ich eines Tages in Bigfoots Küche kam und ihn dort »inkognito« als neuen (und völlig überqualifizierten) Küchenchef antraf, war das ein Schlüsselmoment für mich. Sein Essen (selbst die einfachsten Gerichte) sorgte dafür, dass mir Kochen wieder wichtig war. Die Leichtigkeit, mit der er Rezepte erfand, sich an alte Rezepte erinnerte (aufgrund seiner Lese-Rechtschreib-Schwäche schrieb er sie ungern auf) und Zutaten kombinierte, faszinierte mich. Er war auf sehr direkte Art verantwortlich für jeden Erfolg, den ich später als Küchenchef feierte. Schließlich war er es, der mich ins Black Sheep und dann in den Supper Club brachte.
    Doch ich profitierte nicht nur von Johns Stärken, sondern auch von seinen Schwächen und Marotten. Wenn er etwas vermasselte, rückte ich auf. Als er den Supper Club verließ, erhielt ich nach Jahren wieder den Posten des Küchenchefs.
    John war derjenige, der Steven und Adam einstellte (eine gesegnete Kombination). Und John war auch derjenige, der mich in einen Kreis von Küchenchefs und Köchen einführte, die talentierter waren als die Köche, die ich bis dahin gekannt hatte - etwa Maurice Hurley (der im Le Bernardin arbeitete und nach seiner Schicht zu mir hetzte, um für mich im Supper Club Banketts vorzubereiten), sein Bruder Orlando, Herb Wilson, Scott Bryan, eine ganze Abschlussklasse Köche, die in den Hamptons zusammengearbeitet hatten -, und er stellte mich Brendan Walsh vom Arizona 206 vor.

    Wenn ich die Leute durchgehe, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt und mit denen ich zusammengearbeitet habe, erkenne ich eine Gemeinsamkeit. Nicht generell, aber zu oft, als dass es ein Zufall sein könnte: eine beunruhigende Tendenz, sich selbst im Weg zu stehen, gerade bei den Menschen, die ich mag. Tesar liefert für dieses Verhaltensmuster das perfekte Beispiel: Sobald der Erfolg droht, findet er immer eine Möglichkeit, alles richtig schön zu versauen, in Kombination mit der Fähigkeit, sich immer wieder aufzurappeln - oder zumindest zu überleben.
     
     
    Mein alter Kumpel, mein großes Vorbild und Partner in unserem Cateringunternehmen in Provincetown, den ich als Dimitri bezeichnete, verschwand in den Achtzigerjahren komplett von der Bildfläche. Ich habe gehört, dass er studierte und danach irgendetwas mit Computern machte. Obwohl ein Foto, auf dem er aussieht wie ein mexikanischer Bandit, den Umschlag von Geständnisse eines Küchenchefs ziert, von dem auf der ganzen Welt sicher Tausende in Umlauf sind, habe ich keinen Pieps von ihm gehört. Soweit ich weiß, hat er nie versucht, Kontakt zu mir aufzunehmen. Anders als die anderen hat er den Absprung geschafft - schon bald nach der Zeit, die ich im Kapitel »Die glücklichen Zeiten« beschrieb. Dimitri (mit richtigem Namen Alexey) war älter als wir - und vielleicht erkannte er, was wir noch nicht sahen: dass die glücklichen Zeiten nicht mehr lange währen würden, wenn wir so weitermachten.
    Die Songs aus jenen Tagen, aus den ersten Jahren, in denen ich in New York arbeitete, stimmen mich immer noch
sentimental - obwohl ich sie zum ersten Mal hörte, als ich mit dem Heroin anfing, in diesen Flitterwochen, wenn alles Spaß macht und aufregend ist und es oh, so … schlimm ist, ein Junkie zu sein. Eine Mischung aus Hochgefühl und Verlust: »Mad World« von Tears for Fears, The Bush Tetras, dFunkt, James White & the Blacks, die frühen Talking Heads, »The Message« von Grandmaster Flash, The Gap Band - die Begleitmusik jener Zeit. Diese Songs werden immer ein bisschen gefährlich bleiben. Musik, zu der man sich einen setzt.
     
     
    Mein Küchenchef und Schulkamerad Sam stürzte sich zusammen mit mir in den Abgrund - Anfang der Achtzigerjahre. Er ist ebenfalls auf dem Umschlagfoto
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