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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Autoren: Anthony Bourdain
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wäre eine Art Standartenträger für Qualität oder ein Ombudsmann oder auch nur jemand, der mit seiner Kritik zum Nachdenken anregen will. Aber so ist es leider nicht.
    Ich bin nur ein motziger alter Sack mit einem, wenn man es wohlwollend formulieren möchte, »Anliegen«.
    Und ich bin immer noch wütend.
    Aber essen Sie den verdammten Fisch ruhig montags. Okay?
    Als ich die unsterblichen Worte schrieb, montags keinen Fisch zu essen, eine Aussage, die mich noch verfolgen wird, wenn ich mir längst die Radieschen von unten ansehe, kannte ich nur die Restaurants in New York City. Und auch dort, das muss man fairerweise sagen, haben sich die Zeiten geändert. Gut, ich würde immer noch davon abraten, an einem Montag das Fischgericht des Tages in irgendeiner Bierkneipe zu bestellen. Frischer Fisch ist dort sicher nicht der Schwerpunkt des kulinarischen Bemühens. Doch bei den
Küchenchefs und Köchen hat sich viel getan. Die Chancen stehen mittlerweile gut, dass dem Kerl, der hinten in der Küche den Fisch in die Pfanne wirft, das Kochen tatsächlich etwas bedeutet. Und wenn nicht, muss er heutzutage damit rechnen, dass der Gast den Unterschied bemerkt.
    Als ich damals das Buch schrieb, das mein Leben veränderte, war ich vor allem auf meine Gäste wütend (wie viele Köche mit mittelmäßigen Fähigkeiten). Doch die Gäste haben sich verändert. Ich habe mich verändert.
    Auf sie bin ich nicht mehr wütend.

Immer noch da
    Es gibt Songs, die ich mir nie wieder anhöre. Und zwar nicht die Songs, die mich an schlechte Zeiten erinnern.
    Bestimmte Songs aus längst vergangenen Zeiten, als alles, egal, ob ich es damals schon kannte oder nicht, in einem goldenen Licht erschien. Diese Songs kann ich nicht mehr ertragen. Sie tun weh. Und warum soll ich mir das antun? Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und sie so genießen wie damals - und manche Dinge kann man nicht reparieren.
    Eines Abends saß ich noch ziemlich spät in einem Restaurant, einem Lokal in der Nachbarschaft, in das meine Frau und ich hin und wieder gehen. Der Hauptansturm war vorbei, der Gastraum nur noch halb voll. Wir hatten gerade unsere Getränke bekommen und das Essen bestellt, als die Frau am Nebentisch »Tony« rief und auf ihren Mann deutete, den Mann mittleren Alters, der ihr gegenübersaß. »Das ist der Silver Shadow«, sagte sie.
    Ich hatte den Shadow, wie ich ihn in Geständnisse eines Küchenchefs nannte, seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Und das Bild, das ich von ihm und seinem Restaurant gezeichnet hatte, ein teures und überfülltes Irrenhaus, das von den Patienten geleitet wurde, war nicht gerade schmeichelhaft gewesen. Ich hatte den Shadow immer gemocht, egal, welche wahnwitzigen Dinger in seiner Küche abgezogen wurden oder wie mies ich dort behandelt worden war - ich freute mich, ihn wiederzusehen. Ich wusste nicht, wie es
ihm in den letzten Jahren ergangen war, obwohl ich natürlich verschiedene Geschichten gehört hatte. Er besitzt inzwischen zwei sehr gute, sehr stimmige Restaurants, eins in New York und das andere an einem schönen Ort, wo man gern Urlaub macht.
    Ich erkannte den Mann nicht, hätte ihn nie mit seinem jüngeren Selbst in Verbindung gebracht. Ich erinnerte mich an den Silver Shadow als jemanden, der aussah wie ein gut genährter, überprivilegierter Student (allerdings ein bisschen älter) - jemanden, dessen Foto im Jahrbuch der Highschool man leicht erkennen würde. Er sah auch jetzt noch gut aus - allerdings deutlich älter und vielleicht ein bisschen müde. Seine Frau sah genauso aus. Während unseres Gesprächs über das Buch, das deutlich peinlicher hätte verlaufen können, war sie freundlich und bezeichnete mein Werk ganz locker als »Fiktion«.
    Der Shadow sah das ein bisschen anders. Er sprach über die Reaktionen nach dem Erscheinen des Buchs. Alle hätten ihn sofort wiedererkannt, erzählte er. Vermutlich hätte seine Tochter ihm als Erste davon erzählt. »Dad, dieses Buch - das ist über dich!« Die Lektüre hätte ihn »am Boden zerstört«. Er sagte, er habe geweint. Natürlich fühlte ich mich total mies. Wie gesagt, ich habe den Mann immer gemocht. Er hatte damals wirklich jede Menge anmaßenden, schwachsinnigen Mist gebaut - aber anders als seine damaligen Kollegen unter den Minimogulen hatte ich nie erlebt, dass er jemanden absichtlich fertiggemacht hätte.
    Nach dem Essen ging ich so schnell wie möglich nach Hause und las das Kapitel über ihn noch einmal durch. Ja. Da wurden
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