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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser
Autoren: Cate Tiernan
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einer Hexe, Nan, und im Umfeld von anderen Hexen und Hexern verbracht. Nan war immer sehr, sehr viel stärker gewesen als jeder andere. Und ich war die zweitstärkste gewesen. Mittlerweile wusste ich, dass das von unserem Erbe herrührte, von der Treize. Und dennoch hatte ich es noch nie gesehen, dass sich die Tür auf einen Wink von Nan hin geschlossen hätte. Wahrscheinlich fände sie das einfach nur kitschig, dachte ich, während sich ein Gefühl von Hysterie in mir breitmachte.
    Ich blickte zu Daedalus auf, sah in seine dunklen, rätselhaften Augen. Er wirkte sehr aufmerksam, ganz auf mich konzentriert. Ich hoffte, dass dies von seinem Enthusiasmus herrührte, endlich jemanden gefunden zu haben, der von ihm lernen wollte.
    » Komm«, sagte er und streckte die Hand aus. Ich trat einen Schritt näher, genau in die Mitte des Pentagramms auf dem Boden. In einem Regal lag ein langer, dünner Zauberstab. Er nahm ihn und fuhr die Umrisse des Pentagramms nach. Unser Zirkel war gezogen. Dann legte er meine Hand über den Kristall in seine, sodass wir ihn beide umschlossen.
    » Zunächst zentrieren wir uns, im Hier und Jetzt, wo wir uns gerade befinden, um mit unserer Kraft in Kontakt zu treten«, sagte er leise. Ich war ihm noch nie zuvor so nahe gewesen. Ich fühlte mich unwohl und unerträglich verkrampft. Auf einmal hatte ich Angst, mich nicht konzentrieren zu können, keine Luft zu bekommen und eine schlechte Figur abzugeben. Doch ich musste ihm beweisen, dass ich stark war, dass ich das hier schaffen konnte.
    Clio, versau es bloß nicht. Ich dachte an meine Vision. Ich hatte das Gefühl, meine ganze Zukunft hinge von diesem einen Moment ab. Ob ich leben oder sterben würde, beruhte buchstäblich auf dem Ausgang dieser einen Situation.
    Ich machte den Mund zu und atmete langsam durch die Nase. Ganz bewusst ließ ich meine Ängste und alle Bedenken ziehen, ließ sie einfach gehen und erklärte mich bereit, alles, was passierte, anzunehmen.
    Was, wie wir wissen, immer der erste Schritt ist, um mit der Magie in Kontakt zu kommen.
    » Der erste Teil des Zaubers erdet uns«, sagte Daedalus. » Und das, obwohl wir uns im zweiten Stock befinden.«
    Er zwinkerte verschmitzt. Ich hatte bislang nie gemerkt, dass Daedalus so etwas wie Sinn für Humor besaß. Es ließ ihn etwas weniger beängstigend erscheinen. Ein ganz kleines bisschen weniger.
    » Im zweiten Teil identifizieren wir die Schwingungen des Kristalls«, fuhr er mit sanfter, beruhigender Stimme fort. » Und im dritten Teil werden unsere Schwingungen mit seinen in Einklang gebracht. Kannst du mir sagen, was der vierte Teil des Zaubers beinhaltet? Der quatrième?«
    Jeder Zauber war in Teile untergliedert, von eins bis zu einer beliebigen Anzahl wie zwölf oder dreizehn, je nachdem, was man damit erreichen wollte. Ich wusste, dass es Zauber mit noch mehr Teilen und Stufen gab, doch ich hatte sie bislang nicht praktiziert und auch noch nie gesehen, wie sie von jemandem praktiziert wurden. Das Präfix fin hieß, dass ein Zauber lediglich über vier Teile verfügte. Der vierte war der letzte.
    » Der fin-quatrième besteht darin, sich die Kraft einzuverleiben«, sagte ich. Ich hatte kein Problem damit, einem Kristall seine Macht zu nehmen. Er schien nicht lebendig, konnte keinen Schmerz und keine Angst empfinden. Das war okay.
    Also begann Daedalus, mir den Zauber beizubringen. Die Basis, das Sich-Erden und Zentrieren, kannte ich schon und machte es ihm einwandfrei nach. Er schien zufrieden und ich fühlte mich ein wenig besser.
    Der zweite Teil war mir ebenfalls vertraut. Denn jedes Mal, wenn man einen x-beliebigen Gegenstand für einen Zauber nutzte, musste man ihn zunächst erkennen, erforschen, bestimmen. Der dritte Teil war eine Variante dessen, was ich in jener Nacht mit den Katzen veranstaltet hatte, doch er schien weniger Furcht einflößend und gefährlich. Mit aller Kraft konzentrierte ich mich, prägte mir den Kristall ein. Fast hätte ich nach Luft geschnappt, als ich spürte, wie sich meine Schwingungen den seinen kaum merklich annäherten. Meine Augen waren geschlossen und ich atmete flach durch den Mund. Der Kristall brannte in unseren Händen. Dann verbanden wir uns mit ihm, und es war, als wären wir nicht länger Clio und Daedalus, zwei getrennt existierende Wesen, sondern eine neue, fremde Lebensform, die sich aus zwei Vibrationen und dieser zusätzlichen, seltsamen Kristallschwingung zusammensetzte. Man bekam keine bildliche Vorstellung und ich kann es
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